Künstler*in | Bill Fay | |
Album | Still Some Light, Part 1 | |
Label | Dead Oceans | |
Erscheinungsjahr | 2022 | |
Bewertung |
Bill Fay hat kurz vor Weihnachten seinen 78. Geburtstag gefeiert und er ist, was in diesem Ausmaß vielleicht für keinen anderen Menschen in seinem Alter gilt, ein großer Gewinner der Digitalisierung des Musikgeschäfts. Wie grausam dieses Business im analogen Zeitalter sein konnte, erlebte er vor einem halben Jahrhundert: Er hatte zwei Alben veröffentlicht und wurde dann 1971 von seiner Plattenfirma gefeuert, weil sie sich kaum verkauft hatten.
Erst 2012 brachte er mit Life Is People wieder eine Platte heraus, und dass er zu diesem Zeitpunkt wieder gefragt war, hat sehr viel mit dem Internet zu tun. Schon in den 1990er Jahren entdecken einflussreiche Tastemaker die Lieder des Briten wieder. David Tibet (Current 93) ist einer von ihnen: Er lobt “die Tiefe und Einfachheit seiner Arbeit und die intensive emotionale Wahrheit und Ehrlichkeit, die sie verkörpert – alles Eigenschaften, die Bill auch als Mensch in seiner Seele trägt.” Über den Moment, als er zum ersten Mal diese Musik hörte, sagt David Tibet im Rückblick: “Ich hatte den Künstler entdeckt, der für mich der größte Singer-Songwriter war, den ich je gehört hatte.”
Beflügelt von solcher Begeisterung, vor allem aber von den Möglichkeiten, die Musik von Bill Fay über digitale Kanäle viel leichter wieder aufspüren und verbreiten zu können, gewann dieses fast vergessene Talent immer mehr Aufmerksamkeit. Diese führt nun auch zur Compilation Still Some Light, Part 1. Darauf sind Demos der Lieder enthalten, die Bill Fay auf seinen beiden Alben in den Seventies veröffentlicht hat, ebenso wie Home-Recordings aus dem Jahr 2009. David Tibet hatte diese Zusammenstellung 2010 schon einmal gemeinsam Mark Logan als Doppel-CD herausgebracht, mit der Wiederveröffentlichung auf Dead Oceans sind die Stücke nun erstmals auch digital sowie auf Vinyl verfügbar.
Dass Bill Fay inzwischen so gefragt ist, dass sogar seine Skizzen neu aufgelegt werden, lässt sich angesichts von Still Some Light, Part 1 leicht nachvollziehen: Er klang schon damals wie ein weiser Mann, der einen sehr persönlichen, intimen Zugang zu sehr grundsätzlichen Themen gefunden hat. Songs wie Plan D, Laughing Man, Dust Filled Room oder I Hear You Calling stehen den Werken der ganz großen Singer-Songwriter*innen dieser Zeit (oder irgendeiner Zeit) nicht nach. Im Album-Auftakt Backwoods Maze klingt Fay erstaunlich rockig, wie der elektrifizierte Dylan. Lieder wie Love Is The Tune, Arnold Is A Simple Man oder Inside The Keeper’s Pantry sind eindringlich, wie man das bei wenigen Künstler*innen findet. Pictures Of Adolph Again oder Tell It Like It Is offenbaren Leidenschaft und Aufrichtigkeit, verpackt in Klasse und Kreativität.
Viele der hier zu hörenden Demos sind Lieder, die später auf Bill Fays zweitem Album Time Of The Last Persecution zu hören waren. Dessen Titelsong lässt in der hier enthaltenen Version manchmal an Aerosmiths Dream On denken, auch sonst findet man immer wieder das Aufeinandertreffen eines Piano-Fundaments mit komplexen Rock-Arrangements. Bei There’s A Price Upon My Head könnte man glauben, Billy Joel habe sich bei Black Sabbath eingeschlichen, bei The Sun Is Bored dient ebenfalls das Klavier als Basis, während der Rest der Band den Song in Richtung Psychedelik entführen zu wollen scheint.
I Will Find My Own Way Back klingt erstaunlich modern, auch durch den Quasi-Sprechgesang, während man anderen Liedern hier nicht nur wegen der Klangqualität deutlich anhört, aus welcher Epoche sie stammen – die Prog-Ansätze kombiniert mit Introspektion sind mittlerweile doch eher exotisch, auch wenn sie beispielsweise in Just To Be A Part oder Release Is In The Eye gut funktionieren. Der zweite Frühling von Bill Fay im digitalen Zeitalter soll indes weitergehen: Still Some Light, Part 1 wird begleitet von einer Reihe von Singles, auf denen jüngere Künstler*innen seine Songs neu interpretieren. Den Auftakt dafür machen Steve Gunn (ein ehemaliger Wegbegleiter von Kurt Vile) mit Dust Filled Room und Kevin Morby (Woods, The Babies) mit I Hear You Calling.