The Boss Of It All

Film The Boss Of It All

Ravn (Peter Gantzler, links) heuert den Schauspieler Kristoffer (Jens Albinus) als Strohmann an.
Ravn (Peter Gantzler, links) heuert den Schauspieler Kristoffer (Jens Albinus) als Strohmann an.
Originaltitel Direktøren for det hele
Produktionsland Dänemark
Jahr 2006
Spielzeit 99 Minuten
Regie Lars von Trier
Hauptdarsteller Jens Albinus, Peter Gantzler, Iben Hjejle, Henrik Prip, Mia Lyhne, Sofie Gråbøl
Bewertung

Worum geht’s?

Ravn leitet eine kleine Software-Firma in Dänemark, die er gemeinsam mit sechs Kollegen gegründet hat. Weil er sich nicht für sonderlich führungsstark hält und Konflikten mit den Kollegen aus dem Weg gehen will, hat er sich einen Trick ausgedacht: Er verweist bei unangenehmen Nachrichten immer auf einen Big Boss in den USA, dem die Firma gehöre und der unliebsame Entscheidungen auch gegen Ravns Willen treffe. Allerdings existiert dieser Hintermann nur in seiner Fantasie, entsprechend haben die Mitarbeiter und Kunden der Firma den mysteriösen Big Boss auch noch nie zu Gesicht bekommen. Als ein wichtiger Deal mit einer Firma aus Island ansteht und deren Chef darauf besteht, nicht mit Ravn, sondern mit dem Big Boss zu verhandeln, steckt Ravn in der Klemme und engagiert den arbeitslosen Schauspieler Kristoffer, der diese Rolle übernehmen soll. Der merkt schon bald, wie schwierig es ist, das von Ravn errichtete Lügengebäude aufrecht zu erhalten.

Das sagt shitesite:

Lars von Trier kann also auch Komödie. The Boss Of It All ist aktuell, witzig und schlau, mit vielen kreativen Einfällen und überraschenden Wendungen versehen.

Der Film gönnt sich ausgiebige (und wunderbar boshafte) Seitenhiebe auf die Erzfeindschaft zwischen Dänemark und Island, schildert erstaunlich genau den Irrsinn des Büroalltags à la Stromberg und hinterfragt zudem noch die Sinnhaftigkeit eines anti-autoritären Führungsstils. Viel mehr als ein Film über das Wirtschaftsleben ist The Boss Of It All aber ein Film übers Filmemachen. Es gibt, wohl zur Enttäuschung mancher Kritiker, keine Kapitalismuskritik. Stattdessen werden Eitelkeiten der Schauspieler vorgeführt. Lars von Trier will, so sagt er als Stimme aus dem Off zu Beginn, die sogenannte Hochkultur durch den Kakao ziehen – und genau das tut er.

Als Kristoffer das ungewöhnliche Engagement als Verkörperung von Ravns bisher nur virtuellem Stohmann annimmt, landet er in einer Schlangengrube aus Intrigen, Neurosen und nicht gehaltenen Versprechen. Manche in der Firma wollen ihm an die Wäsche, andere wollen ihm an den Kragen. Doch er ist so blasiert auf sein Schauspiel fixiert, dass er nur nach glaubhafter Performance sucht, nicht nach einer tatsächlichen Reaktion. Er ist nicht in der Lage, die Welt als Welt (nicht als Bühne), Konflikte als Konflikte (nicht als Textzeilen) und Menschen als Menschen (nicht als Rollen) zu begreifen – und von Trier führt diese Egozentrik so genüsslich vor, dass man glauben darf, er halte das nicht nur für ein Problem von Kristoffer, sondern für eine Eigenschaft der gesamten Schauspielergilde.

Genau in diesem Ineinandergreifen von Fiktion und Realität liegt der große Reiz dieser Komödie. Was ist Kompetenz? Was ist Autorität? Wie sollte man idealerweise mit seinen Kollegen und Mitarbeitern umgehen? Diese Fragen stellt The Boss Of It All, und Lars von Trier stellt sie nicht zuletzt an sich selbst als Filmemacher und Produzent. Mehrfach unterbricht er als Stimme aus dem Off die Handlung, wendet sich direkt ans Publikum und richtet auch damit den Fokus auf seine eigene Rolle.

Auch die (manchmal überflüssigen, manchmal orginellen) ästhetischen Eigenheiten des Films passen dazu. Neben der Automavision-Technologie (Bildschnitt und andere Kamera-Einstellungen werden dabei von einem zufälligen Computer-Algorithmus bestimmt) sind dabei an erster Stelle die zahlreichen Bildsprünge zu nennen, die wie handwerkliche Fehler wirken und zugleich die Nicht-Authentizität des Gezeigten sichtbar machen. Statt visueller Perfektion zeigt all dies, dass der Regisseur (ebenso wie Ravn, ebenso wie Kristoffer) nicht alles im Griff hat – zumindest vordergründig, denn selbstverständlich sind diese Pseudo-Fehler von ihm gewählte Stilmittel.

Bestes Zitat:

„Hier kommt ein Film. Und wenn er jetzt schon merkwürdig erscheint: Halten Sie durch! Ich verspreche Ihnen, das ist zu schaffen. Und obwohl ich mir gerade Gedanken mache, sage ich Ihnen: Dieser Film ist keinen Gedanken wert. Es handelt sich um eine völlig harmlose Komödie ohne eine pädagogische oder meinungsbildende Absicht. Wir wollen es uns gemütlich machen.“

Der Trailer zum Film.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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