Haudegen – „Lichtblick“

Künstler Haudegen

Cover des Albums Lichtblick von Haudegen
Haudegen könnte man für die Lieblingsmusik der AfD halten.
Album Lichtblick
Label Warner
Erscheinungsjahr 2015
Bewertung

Oha. Das gibt es also auch noch: Musik, die so schlecht ist, dass man Ausschlag davon bekommen kann. Sie stammt von Haudegen und sie ist, wie das gerne so ist bei schlechter Musik, richtig erfolgreich. Hagen Stoll und Sven Gillert haben ihre ersten beiden Alben Schlicht & Ergreifend (2011) und En Garde (2012) in den Top 10 der deutschen Charts platziert. Dem übermorgen erscheinenden Lichtblick wird das wohl auch gelingen. Haudegen sind so beliebt, dass Hagen Stoll sogar seinen autobiografischen Roman So fühlt sich Leben an über seine Jugend in Berlin-Marzahn und seine Vergangenheit als Gansta-Rapper in die Bestsellerliste gebracht hat.

Man kann sich nur wundern, wer so etwas gut findet. Erstens ist da die Musik: Haudegen klingen so, wie man sich im Jahr 1983 (seitdem kennen sich die beiden dicken Kumpels) die denkbar schlichteste Rockmusik vorgestellt hat. Selbst Die Toten Hosen sind innovativ, subtil und eloquent dagegen. Wenn Liebesbeweise gefragt sind, dann setzen Haudegen auf Namens-Tattoos (Unter die Haut) und Privatpornos (Nackt fotografieren) – das muss wohl gemeint sein mit der „Gossen-Poesie“, wie Haudegen ihre eigenen Lieder nennen.

Noch schlimmer ist das Weltbild, das dieses Duo auf Lichtblick verbreitet. „Wir wollten (…) für ein Miteinander sorgen – mit den Texten wie mit der Musik. Der alte Wert von unabdingbarer Freundschaft, darum geht es. Kommt zusammen, Leute! Schaltet einfach mal den iPod aus“, umreißt Sven Gillert die Botschaft. „Wahre Größe sind die kleinen Dinge, für die wir zusammenstehen“, heißt es nun zum Auftakt des Albums in Zusammen sind wir weniger allein. Es folgen Songs mit Titeln wie Freunde in der Not oder Für immer und ewig und Zeilen wie „Ich bleibe mir treu / und daran wird sich auch nichts ändern.“

Das erinnert an Kreise, in denen man sich nicht gerne freiwillig bewegen möchte: Auch die Hells Angels, die Waffen-SS oder Unheilig-Fans stehen für solche Werte: Treue, Härte, Opferbereitschaft und unbedingter Zusammenhalt. Das Album durchziehen zudem ein ekelhafter Fatalismus und eine dumpfe Verbitterung. Statt Antworten für die Zukunft zu liefern, besingen Haudegen lieber die Sehnsucht nach einer (angeblich besseren) Vergangenheit. „Ich leb in der Erinnerung“, lautet eine Zeile in Kleine Tragödien. „Geht’s vom Regen in die Traufe / so sind wir füreinander da / so wie es schon immer war“ ist in Ziemlich beste Freunde der prototypische Wahlspruch der Platte.

Das Miteinander, das hier so hochgehalten wird, ist das Miteinander einer Peer-Group mit gleichen Überzeugungen. Die Idee, grundsätzlich erst einmal jedem Menschen mit Respekt zu begegnen, auch ohne dass er sich dessen erst würdig erweisen muss (zum Beispiel durch eine gemeinsam verbrachte harte Jugend), findet sich nicht auf Lichtblick. Das ist ein seltsames Verständnis von Toleranz; auch das Einfordern von Treuebekenntnissen schließt in der Welt von Haudegen die Möglichkeit aus, dass man seine Überzeugungen ändern und anders denken darf. Das hat eine gefährliche Nähe zur Ideologie von „Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns.“ Was außerdem übel aufstößt, ist das Fehlen einer Absage an Gewalt.

Ständig wird gegen eine nicht genannte Bedrohung angesungen und der Widerstand gegen eine feindlich gesinnte Welt propagiert. „Zwei glorreiche Halunken so wie uns / bekommt das Leben doch nicht klein“, heißt es zum Schluss in Hals & Beinbruch. Sie seien es  „gewohnt, den Dreck der Straße zu fressen, seit der Kindheit, ohne dass wir deshalb irgendwann nicht wieder aufgestanden wären, ausgespuckt hätten und unbeirrt weitergemacht“, betonen Haudegen, die sich 2010 gegründet haben und unter anderem Klaus Lage und Reinhard Mey als Vorbilder benennen, passend dazu.

Das ist so rückwärtsgewandt und konservativ, dass man glauben könnte, Haudegen seien die Band der Wahl für die große Schar von Wutbürgern und AfD-Wählern. Dazu passt auch, dass in Gib mir mein Problem zurück, dem politischsten Stück auf Lichtblick, genau die Leute ihr Fett weg kriegen, die auch für die angeblich gezähmte Rechte das Feindbild sind: Kinderschänder, Steuerbetrüger und Lügenpresse. Doch mit dieser Klientel wollen Haudegen erstaunlicherweise nichts zu tun haben: Die beiden Berliner traten beim Anti-Pegida-Konzert in Dresden auf, singen in Igor & Nassim ein Hohelied auf Freunde mit Migrationshintergrund und machen sich auch für Obdachlose und sozial benachteiligte Jugendliche stark.

Das ist vielleicht das Tragischste an dieser unerträglichen Platte: Haudegen verbreiten mit sagenhaft geschmacklosen musikalischen Mitteln ein anti-modernes, frustriertes, destruktives Blut-und-Ehre-Weltbild. Und sie merken es nicht einmal.

Der Trailer zum Album.

Homepage von Haudegen.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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