Hingehört: So Pitted – „Neo“

Künstler So Pitted

Neo So Pitted Rezension Kritik
Schlechte Laune in elf verschiedenen Formen bietet „Neo“.
Album Neo
Label Sub Pop
Erscheinungsjahr 2016
Bewertung

Wenn man Neo das erste Mal hört, merkt man: So Pitted sind sehr, sehr wütend. Hört man das Debütalbum des Trios aus Seattle zum zweiten Mal, merkt man: Sie sind wütend aus ziemlich vielen Gründen, darunter beispielsweise Armut, Krankheit, Gier und Ignoranz. Hört man die Platte dann noch ein paar Mal, wird klar: So Pitted beherrschen alle Mittel, um Wut, Frust und Ärger in höchst spannende Musik zu verwandeln.

Nathan Rodriguez, Liam Downey, Jeannine Koewler haben ihre Band nach einem YouTube-Clip benannt, in dem ein Surfer über sein Hobby schwärmt, und zwar mit einer ans Lächerliche grenzenden Leidenschaft, die sich auch So Pitted auf die Fahnen geschrieben haben. Sie findet auf Neo ihren Ausdruck in praktisch allem, was einem zartbesaiteten Hörer des Leben schwer machen kann: Schon der Opener Cat Scratch blutet sich irgendwo zwischen Krawall und Massaker aus und erinnert an die richtig zynischen Momente von Nirvana. Bei I’m Not Over It könnte man glauben, Dog Eat Dog müssten einen ihrer Kracher spielen, während sie in willkürlich gewählten Abständen heftige Stromstöße verpasst bekommen. Rot In Hell klingt wie die Pixies, nachdem sie sich noch ein bisschen mehr gegeneinander verschworen haben.

Dass all dies ohne eine feste Struktur geschieht, trägt erstaunlicherweise zusätzlich zur Wucht von Neo bei. So Pitted tauschen regelmäßig die Instrumente, Rodriguez und Downey wechseln sich mit dem Gesang ab, ihr Ideal ist non-lineares Songwriting, möglichst ohne Wiederholungen. Es geht dabei allerdings nicht um Nonkonformismus als Selbstzweck, sondern um die Bewahrung von Freiheiten, betont Liam Downey: “We’re not trying to destroy anything, and there’s no ‘movement’ necessarily. We’re all kind of weird, so it’s really easy for everyone to be themselves.” Und Nathan Rodriguez ergänzt: „A lot of our band is a reaction to music as a whole; there are so many things in music that seem silly to us sometimes and we’d like to create or share something that doesn’t have to be like that.”

Dass zu den Vorbildern des Trios, neben Rabauken wie Rage Against The Machine und Destruktions-Meistern wie Nine Inch Nails auch Feingeister wie die Cocteau Twins oder Komplexitäts-Fanatiker wie die Smashing Pumpkins zählen, überrascht zunächst, wird aber durch die Vielfalt von Neo belegt. Die Grundstimmung ist zwar fast immer böse, aber das kann sich mal mit viel Tempo äußern (Pay Attention To Me), mal in Kraftausdrücken, die von einer mächtigen Bass Drum unterlegt sind (Holding The Void), mal im Spiel mit Monotonie und Dissonanz (Feed Me).

Nicht zuletzt glänzt Neo mit einem cleveren Zusammenspiel von Text und Musik. Woe ist so stoisch und primitiv und kalt, dass man es für eine Lüge halten muss, wenn die Worte „I feel“ erklingen, bis sie dann nach einer kurzen Pause von der Zeile „that I am dead“ ergänzt werden. „Everybody wants to hurt you / trust no one“, heißt es in Chop Down That Tree, ganz am Ende des Albums, und die Musik dazu wirkt, als werde sie von Maschinen gemacht, die von der Menschheit enttäuscht sind.

So Pitted spielen Rot In Hell live.

So Pitted bei Bandcamp.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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