Hingehört: And Also The Trees – „Hunter Not The Hunted“

Herbstabendmusik und Doors-Ersatz - so klingt "Hunter Not The Hunted".
Herbstabendmusik und Doors-Ersatz - so klingt "Hunter Not The Hunted".
Künstler And Also The Trees
Album Hunter Not The Hunted
Label Normal Records
Erscheinungsjahr 2012
Bewertung ***

Erst 70 Jahre nach dem Tod des Autors endet der Urheberrechtsschutz. Es sind also noch knapp 30 Jahre zu überstehen, bis sich jeder, wirklich jeder, über das Werk von Jim Morrison hermachen kann.

Gut also, dass es noch immer And Also The Trees gibt. Die Band, 1979 im beschaulichen Inkberrow/Worchestershire gegründet, ist mittlerweile der beste Doors-Ersatz, den man bekommen kann. Das liegt natürlich in erster Linie an der Stimme von Simon Jones. Von Singen kann man bei diesem Mann kaum sprechen: Er croont, er beschwört, er predigt. Die Texte wimmeln vor Metaphern über das Landleben und längst vergangene Zeiten. Und sein Bruder Justin Jones hat dazu immer wieder Gitarrenklänge zu bieten, als sei The End ein eigenes musikalisches Genre.

Mystisch, düster und erotisch aufgeladen ist Hunter Not The Hunted, das in einem Studio in England und einem verfallenen Haus in Frankreich aufgenommen wurde. Es gibt kaum mehr eine Katharsis aus Energie und Lärm, wie das früher bei And Also The Trees üblich war. Stattdessen bleiben Songs wie Burn Down This Town sehr reduziert und meist akustisch. Womöglich ist das der Einfluss des Vorgängeralbums When The Rains Come, auf dem die Band Akustikversionen ihrer alten Klassiker versammelt hatte.

Trotz dieses Minimalismus entwickelt jedes Lied eine ganz eigene Spannung, wie man das beispielsweise von Woven Hand kennt, und auch als Album hat Hunter Not The Hunted eine tolle Dynamik. Bloodline beispielsweise wogt wie die Wellen des Flusses, der hier besungen wird, integriert dezent mediterrane Einflüsse von Fado bis Sirtaki und hat auch noch einen Chor zu bieten, der beinahe nach den Donkosaken klingt.

My Face Is Here In The Wildfire (irgendwo im Père Lachaise rotiert jetzt womöglich jemand, weil ihm diese Zeile nie eingefallen ist) braucht nur Gitarre und Gesang, um ganz viel Verlorenheit, Tiefe und Unermesslichkeit zum Ausdruck zu bringen. Black Handled Knife pulsiert und pocht, als sei es in einem freischwebenden Magnetresonanztomographen aufgenommen, The Knave ist noch so ein sanft schunkelnder Sehnsuchtssong. The Woman On The Estuary könnte Leonard Cohen oder Scott Walker neidisch machen, Nick Cave hätte sicher gerne das eine oder andere Rendezvous mit der Whiskey Bride gehabt.

Unterm Strich ist das tolle Herbstabendmusik und in seiner konsequent melancholischen Romantik tausend Mal glaubwürdiger als all der Murks, den Interpol seit Jahren mit derselben Intention abliefern.

Auch das Outfit passt zu Mr. Morrison: And Also The Trees spielen The Woman On The Estuary:

httpv://www.youtube.com/watch?v=IwnMBWdmhqQ

And Also The Trees sind gerade live in Deutschland zu erleben:

18. Mai: Köln, Luxor

21. Mai: Hamburg, Knust

22. Mai: Berlin, Lido

23. Mai: Essen, Grend

24. Mai: Freiburg, Café Atlantik

And Also The Trees bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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