Künstler | Jan Delay | |
Album | Hamburg brennt | |
Label | Universal | |
Erscheinungsjahr | 2012 | |
Bewertung |
Eine Pause will Jan Delay jetzt machen. Eine ziemlich ausgiebige Pause. Er ist «zum letzten Mal für ziemlich lange Zeit» live zu erleben, warnt er seine Fans beim Tourneeabschluss auf der Hamburger Trabrennbahn, der jetzt auf DVD erschienen ist. Als «Schlussstrich unter seine Karriere als Soulstyler» bezeichnet die Plattenfirma gar diesen Live-Mitschnitt namens Hamburg brennt.
Vielleicht waren die vergangenen Jahre – mit Nummer-1-Alben, riesigen Festivalauftritten und zig Konzerten – wirklich ein bisschen viel des Guten. Vielleicht will Jan Delay jetzt in Ruhe die Früchte seines Erfolgs genießen. Vielleicht braucht er aber auch bloß Zeit und Abstand, um endlich zu realisieren, was für eine unfassbare Karriere er in den vergangenen 15 Jahren hingelegt hat.
Für diese Entwicklung sind die knapp zwei Stunden von Hamburg brennt der beste Beweis. Von Beginn an, als sich Jan Delay in der Abenddämmerung mit Stretching hinter die Bühne auf die Show vorbereitet, bis zum Abschluss des Konzerts, als er viele Wegbegleiter noch einmal zum großen Finale auf die Bühne holt und dann 15.000 Fans in seliger Stimmung in die Nacht entlässt, festigt er seinen Ruf als famoser Entertainer, Frechdachs und Charmebolzen, Provokateur und Gentleman.
«Wir werden hier heute Abend das allerderbste Fest abbrennen», verspricht er – und er hält Wort. Es geht zu, wie sich das für eine ordentliche Derniere gehört: ausgelassen, mit stolz geschwellter Brust und ein paar unerwarteten Späßen. Mit zehnköpfiger Band und vielen Gaststars wird Hamburg brennt zu einem Ereignis. Cameos Word Up wird zum Fundament von Türlich Türlich (mit Das Bo), Hammerhart (mit Denyo) ist saugeil, Füchse (das noch von Samy Deluxe verstärkt wird) noch ein bisschen besser. Das Pump Up Medley (mit Deichkind) ganz am Schluss kann man nur unglaublich nennen.
Vieles davon kennt man von der Bahnhof Soul-Tour, zu der es schließlich auch schon ein Livealbum gibt. Aber tritt man kurz heraus aus all diesen funkensprühenden Momenten, diesem Meer aus guter Laune, dann muss man sich doch die Augen reiben: Jan Delay hat es geschafft, es wie selbstverständlich wirken zu lassen, dass ein deutsches Publikum bei Soulfunk nicht nur mit dem Fuß wippt, sondern ausrastet.
All das hätte sich kein Mensch vorstellen können, als Jan Delay noch Eißfeldt hieß und sich alle wunderten, was das für eine näselnde Stimme ist, die da ein Liebeslied singt. Erst recht hätte sich in den Anfangstagen von deutschem Rap niemand zu träumen gewagt, dass man mit solcher Musik derart großen Erfolg haben könnte. Die Könnerschaft von Jan Delay, die Musikalität seiner Band Disko No. 1 und vor allem die Selbstverständlichkeit, mit der all das über die Bühne geht und dieses Konzert sogar zu einem Veteranentreffen des deutschen HipHop wird – wüsste man nicht (und würde man es dem durchgeschwitzten Sakko von Jan Delay nicht ansehen), wie viel Arbeit darin steckt, müsste man «Wunder» dazu sagen.
Natürlich ist nicht alles makellos. Einige Tracks drohen in deutlich zu viel Wah Wah zu ersaufen, insgesamt sind die Instrumentalpassagen mitunter zu ausufernd und auch das normalerweise famose Klar hat leider ein bisschen zu viel Euphorie und ein bisschen zu wenig Exaktheit. Zwischen dem Abschlussballmedley und dem Rückgriff auf die alten Beginner-Hits gibt es sogar einen recht langwierigen Durchhänger. Aber auch in solchen Phasen hat Jan Delay immer noch ein überraschendes Soundzitat, einen cleveren Spruch oder einen kleinen Köder parat, um die Leute bei Laune zu halten.
Es ist auch elf Jahre nach seinem ersten Soloalbum noch faszinierend, wie offensichtlich und doch unwiderstehlich das Erfolgsrezept von Jan Delay ist: In seinem Publikum sind nicht zwangsläufig Leute, die HipHop mögen, sondern einfach Leute, die Musik mögen – und vor allem eine gute Party. Und wie man die macht, das versteht keiner in Deutschland besser als Jan Delay.
Jan Delay und Deichkind zelebrieren das Pump Up Medley in Hamburg:
httpv://www.youtube.com/watch?v=fYoVJctkJOU
Eine leicht gekürzte Version dieser Rezension gibt es auch bei news.de.
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