The Dope – „Hinterlandia“

Künstler The Dope

Eigenständig, reif und manchmal irre: "Hinterlandia" ist ein Volltreffer.
Eigenständig, reif und manchmal irre: „Hinterlandia“ ist ein Volltreffer.
Album Hinterlandia
Label Devil Duck
Erscheinungsjahr 2013
Bewertung

Okay, wir sollten das schnellstens klarstellen. Dope, im Kifferjargon als Fachbegriff für Haschisch gebraucht, ist nicht gut. Dope macht dumm, träge und unglücklich.

Rudi Maier (Gesang & Gitarre) und Franz Neugebauer (Schlagzeug) müssen ein anderes Verständnis des Begriffs haben. Denn die beiden Bayern sind The Dope. Und sie haben mit Hinterlandia ein zweites Album hingelegt, das sagenhaft schlau, fidel und happy ist – eine fast perfekte Mischung aus Inspiration und Spaß, Strategie und Feuer.

Blizzard The Kid stellt gleich zum Auftakt schon das Erfolgsrezept von The Dope vor: Der Track beginnt filigran, deutet dann aber schnell an, dass er auch rocken kann (und möchte). Er ist definitiv ausgeklügelt („Im Songwriting unsere wahrscheinlich schwerste Geburt bisher“, sagt Rudi Maier über das Stück), aber er bringt an genau der richtigen Stelle einen ausgelassenen Ohoho-Chor, um nicht als sterile Kopfgeburt zu gelten.

Auch Mines Of Falun, eigentlich ein forscher Rocker, ist minimal gebrochen. Entirely Zipped könnte glatt aus Lied von Built To Spill durchgehen, und spätestens beim famosen Sputnik Sweetheart (benannt nach einem Buch von Haruki Murakami) muss man sich dann doch wundern, wie zwei deutsche Hinterwäldler eine so famose, eigenständige Platte hinbekommen. Pop-Affinität und Indie-Prägung stecken darin, in meisterhafter Balance. Dinosaur Jr, die Lemonheads oder Pavement lassen da grüßen, oder aber in modernerer Ausprägung Friendly Fires (oder Yuck, The Pains Of Being Pure At Heart oder die Band Of Skulls, für die The Dope durchweg schon das Vorprogramm bestritten haben). Wenn Rudi Maier am Ende wie ein Mantra immer wieder „tear it apart / oh my Sputnik sweetheart“ singt, dann ist das betörend, nichts weniger.

The Dope können heavy sein wie im Instrumental The Fuck-You-All-Song, auf chaotische Beats setzen wie in Narratorriors oder die Idee von Justin Timberlake als Sänger von The Duke Spirit aufkommen lassen (das schwere, langsame American Girls). Ihre Lieder können irre komplex werden wie Strawberry Fields (keine Coverversion, sondern wohl eine Abrechnung mit Musiknazis) mit Bläsern, Gitarrenattacken und so viel Spielfreude, wie man sie zuletzt beim Kaizers Orchestra gehört hat. Und sie können Reife und Spontaneität wunderbar zusammenführen wie in Ikarus The Crow.

Monstertrucks besticht mit einem tollen Gitarrenriff, das durch ein ziemlich irres Effektgerät geschickt wird, und hat ein Break zu bieten, bei dem Mark Everett von den Eels das Herz aufgehen dürfte. Mother’s Boy Toy With An Idea, das zuvor schon auf der Single Monsters Of Fuck You All verfügbar war, kommt mit akustischer Strophe daher, leitet dann aber mit der großartigen Zeile „Fuck you all / all around the clock“ einen donnernden Refrain ein. Im Break gibt es ein Trompetensolo und zum Schluss etwas, das man beinahe eine Kakophonie nennen könnte.

„Hier begann tatsächlich alles mit der Idee, ‚Bavaria’ zu singen. Im Prinzip ja eine enorme Peinlichkeit. Ich halte die Peinlichkeit für ein mächtiges Stilmittel“, sagt Rudi Maier über das tanzbare, heitere, leichtfüßige Hollywood, das unter anderem mit dem Hinweis „This is Bavaria / and if it makes you feel better / just imagine it in California“ im Prinzip den Schlusspunkt von Hinterlandia bildet. Denn danach gibt es fünf Minuten Schweigen – und dann den hellen Wahnsinn.

Genauer gesagt: Ein wenig Partygeplapper, aus dem sich dann Volksmusikpostrock herausschält. …Mietraching heißt der Track, unter dessen düsterem Gewand tatsächlich der alte Gassenhauer vom Hiatamadl steckt. „Hier hat uns der Wahnsinn nochmals ins Hirn geschissen“, sagt Rudi Maier, keineswegs entschuldigend, sondern stolz. Und er fügt noch an: „Einem potenziellen Missverständnis muss man in diesem Zusammenhang vielleicht noch vorbeugen: Mit der hirnlosen Bayern-Geilfinderei, diesem anachronistischen Heimatfasching, wie er derzeit in Gestalt von Trachtenparties und La Brass Banda seine tragische Renaissance erlebt, wollen wir nicht das Allergeringste zu tun haben.“ Amen.

Natürlich muss man ein Video machen, wenn man ein Lied namens Hollywood hat:

httpv://www.youtube.com/watch?v=DnQpCQJo9a0

Homepage von The Dope.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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