Künstler | The Head And The Heart |
Album | The Head And The Heart |
Label | Sub Pop |
Erscheinungsjahr | 2011 |
Bewertung | ***1/2 |
Nevermind kommt demnächst noch einmal neu heraus. Zum 20. Jubiläum, mit Bonustracks und edler Verpackung. Ein bisschen seltsam muss es sich da womöglich anfühlen, wenn man gerade auf eine Bilderbuchkarriere zurückblickt, wenn man auf Sub Pop sein Debütalbum veröffentlicht hat und jüngst zu „Seattles bester neuer Band“ gewählt wurde, nicht von irgendjemandem, sondern vom City Arts Magazine aus Seattle.
Josiah Johnson, einer der beiden wichtigsten, nunja: Köpfe und Herzen bei The Head And The Heart, lebt trotzdem gerne in der Stadt, die Nirvana hervorgebracht hat, Jimi Hendrix und, ähm, Jennifer Warnes. „I know why Seattle has produced so much great music. It’s an extension of how much attention Seattle pays to music. It’s embraced by the entire city. It feels like we’re all in this together”, schwärmt er. Johnson nimmt das vielleicht besonders intensiv wahr, denn ebenso wie Jonathan Russell, der andere Songwriter und Frontmann bei The Head And The Heart, ist er ein Zugezogener. Johnson stammt aus Kalifornien, Russell zog es aus Virginia in den Nordwesten der USA.
Dort fanden sie im Sommer 2009 zusammen, spielten unzählige Konzerte, hatten beachtlichen Erfolg mit ihrem selbst produzierten Debütalbum, und bringen eben dieses nun erneut raus. Für den Re-Release auf Sub Pop wurde Sounds Like Hallelujah neu aufgenommen, Rivers And Roads (ein Song, der bei den offensichtlich phänomenalen Konzerten des Sextetts stets besonders gut ankommt) kam dazu, alles wurde neu gemastert. Der Titel der Platte blieb: The Head And The Heart.
Woher der Name stammt, ist nicht überliefert. Vielleicht spielte Woody Allen dabei eine Rolle. Der kommt zwar nicht aus Seattle, sondern bekanntlich aus New York, hat aber mal sehr treffend festgestellt, es sei das Schwierigste im Leben, “Herz und Kopf dazu zu bringen, zusammenzuarbeiten. In meinem Fall verkehren sie noch nicht mal auf freundschaftlicher Basis.” Kriegen The Head And The Heart das auf ihrem Debüt hin? Oder, wenn es womöglich kein konstruktives Miteinander zwischen Verstand und Gefühl gibt: Gewinnt dann wenigstens der richtige Körperteil, im Sinne von Friedrich Nietzsche (der pietätvollerweise schon lange vor Kurt Cobains Tod festgestellt hat: „Mancher findet sein Herz nicht eher, als bis er seinen Kopf verliert.“)?
Zunächst: Das Herz kommt hier nirgends zu kurz. The Head And The Heart machen Musik voller Wärme, mit tollem Harmoniegesang von Josiah Johnson, Jonathan Russell und Charity Rose Thielen (Geige). Der Sound ist in Americana verwurzelt, gerne schwelgerisch, ohne den Beat zu vernachlässigen – perfekt zum Autofahren. Der Gesang lässt mal an Fleet Foxes denken, ganz oft auch an Pedro The Lion. Die Themen sind natürlich das Leben, die Liebe, die Einsamkeit, das Heranwachsen, die Heimat und die Rastlosigkeit. Es gibt Schmachtfetzen wie das herrliche Rivers And Roads und mit Honey Come Home auch genau die Sorte Song, zu der man nach ein paar Redhook Ales (angeblich das beliebteste Bier in Seattle) plötzlich sogar tanzen kann.
Das alles könnte sich allerdings auch leicht in belanglosem Wohlklang verflüchtigen. Doch erfreulicherweise kitzeln The Head And The Heart auch den Verstand. Der Opener Cats And Dogs ist ebenso robust und funky wie das Cake früher gut hinbekommen haben, und baut im Break ein cleveres Beinahe-Zitat von Little Lion Man ein, dem Hit der durchaus geistesverwandten Mumford & Sons. Coeur d’Alene setzt ebenfalls auf eine kluge Dramatik und hat zudem ein packendes, leidenschaftliches Ende zu bieten. Ghosts verbindet Klavier-Komplexität mit einem höchst eingängigen Refrain, wie das auch The Blood Arm wunderbar beherrschen. Und gerade, als The Head And The Heart dann doch Gefahr läuft, ein bisschen zu gefällig zu werden, schwingt sich Sounds Like Hallelujah in nur gut drei Minuten zu einer kleinen Pop-Oper auf.
Einer Fortsetzung des Siegeszugs steht damit fast nichts mehr im Wege. The Head And The Heart müssen nur noch das schaffen, woran Nirvana gescheitert sind: auch in ihrer Karriereplanung ein ausgewogenes Zusammenspiel von Bauch und Kopf hinbekommen.
Wir lernen: Wenn The Head And The Heart ihren Song Lost In My Mind im Studio eines Radiosenders spielen, sind die Köpfe öfter im Bild als die Herzen:
httpv://www.youtube.com/watch?v=_fcPfaMpSeE
The Head And The Heart bei MySpace.