Jack Savoretti – „Sleep No More“

Künstler Jack Savoretti

Jack Savoretti Sleep No More Albumcover
Viele namhafte Produzenten haben Jack Savoretti auf „Sleep No More“ unterstützt.
Album Sleep No More
Label BMG
Erscheinungsjahr 2016
Bewertung

Ich weiß nicht, wie es um den Schlaf von Jack Savoretti bestellt ist, aber er muss wohl als ein Risikopatient für Agrypnie gelten. Denn über sein fünftes Album Sleep No More sagte der damals 32-Jährige, als es 2016 herauskam: „Ich singe von Dingen, die dich nachts wach bleiben und nicht mehr schlafen lassen.“

Geldsorgen kann man dabei ausschließen (der Vorgänger Written In Scars erreichte die Top10 im UK), Herzscheiße auch (der Engländer mit italienischen Wurzeln nennt das Album einen „Liebesbrief an meine Frau“). Auch Klimakatastrophe oder politische Krisen sind kein Thema auf dieser Platte. Was Jack Savoretti stattdessen angeblich den Schlaf raubt, sind die banalsten Dinge der Welt. Deep Waters, das zweite Lied auf dieser Platte, ist ein treffendes Beispiel für dieses Kernproblem von Sleep No More: Aus akustisch wird gefällig wird langweilig, begleitet von Texten voller Klischees. Später klingt der Refrain von Helpless, als habe man jemanden, der niemals tanzt, dazu gezwungen, „etwas Tanzbares“ zu komponieren. Bei Only You könnte man glauben, das sei sogar fürs Hausfrauenradio zu schlicht, bis man dann das Radio einschaltet und wahrscheinlich genau auf dieses Lied stößt.

Die wahre Sorge, die Jack Savoretti hier offensichtlich umgetrieben hat, ist der Verlust des gerade erst gefundenen Publikums. Er hat lange gebraucht, um es zum Erfolg des Vorgängers zu bringen, und nun will er auf Nummer sicher gehen, diesen nicht zu verspielen. Willkommene Komplizen sind dabei die Produzenten, zu denen Mark Ralph (Take That), Sam Dixon (Adele), Matty Benbrook (Paolo Nutini), Cam Blackwood (George Ezra) und Steve Robson (James Morrison) gehören. Was in dieser Konstellation für Musik entsteht, zeigt Troubled Souls vielleicht am besten: Es ist wieder ein Lied, dessen Titel nach Tiefgang klingt, dessen Inhalt aber in Text und Klang so sehr Schema F ist, dass man merkt: Jack Savoretti ist kein Storyteller, keine geplagte Seele und kein kreativer Geist. Er hat sich nur in die Idee verliebt, professioneller Musiker zu sein, dann festgestellt, dass seine Stimme vielleicht der Schlüssel ist, der ihm die Verwirklichung dieser Idee ermöglichen kann – und nun macht er alles, um mit diesem Schlüssel so viele Türen wie nur möglich zu öffnen.

Die Single When We Were Lovers, zugleich Auftakt des Albums, täuscht einen ursprünglichen Groove an, aber natürlich geht es hier vor allem um die Stimme. Ins Anforderungsprofil für den Refrain hat jemand ganz fett „groß, hymnisch, radiotauglich“ geschrieben. Lullaby Loving bildet den Abschluss mit ein paar Streichern, etwas Latin-Einfluss und sehr viel Kitsch, im Titelsong Sleep No More klingt sogar eine Zeile wie „fighting like enemies out on the battlefields of love“ vollkommen leidenschaftslos. Start Living In The Moment wirkt, als hätte jemand alle Monster des 90er-Radiopops wieder zum Leben erweckt: die nervtötende Stimme der Lighthouse Family, die überflüssige Kunstfertigkeit von Mike & The Mechanics und die Pseudo-Modernismen von Shania Twain.

Wenn Jack Savoretti in I’m Yours singt „I got no masterplan / I got no grand design“, dann könnte nichts weiter von der Wahrheit entfernt sein. Dennoch zeigt gerade dieser Song, warum die Platte nicht komplett Murks ist: Mit einem schicken Arrangement kann diese Stimme wirklich packend klingen. Das beste Lied des Albums wird I’m Yours auch, weil man ihm darin ausnahmsweise seine Hingabe glaubt. Auf die Habenseite von Sleep No More schaffen es auch We Are Bound (mit etwas Mumford-Feeling), das akustische Tight Rope und Any Other Way, das dank etwas mehr Schwung auch für die Album-Dramaturgie essentiell ist. Unterm Strich zeigt Jack Savoretti mit diesem Werk allerdings vor allem, wie unangenehm Musik klingen kann, deren vordringliches Ziel es ist, auf Teufel komm raus angenehm zu sein.

Schön geschwelgt wird im Video zu I’m Yours.

Website von Jack Savoretti.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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