The Rock*A*Teens – „Sixth House“

Künstler The Rock*A*Teens

Sixth House Rpck*A*Teens Review Kritik
„Sixth House“ ist das erste Album der Rock*A*Teens seit 2000.
Album Sixth House
Label Merge Records
Erscheinungsjahr 2018
Bewertung

Für Fans ist das eine sehr erfreuliche Rückkehr: The Rock*A*Teens aus Atlanta, die sich 2014 zum 20. Geburtstag der Band wiedervereint hatten und seitdem regelmäßig live spielen, haben nun auch eine neue Platte gemacht. Sixth House, der insgesamt siebte Longplayer in der Karriere der Band, ist ihr erstes Album seit Sweet Bird Of Youth (2000). Er zeigt viele der Stärken der Rock*A*Teens und setzt zudem weniger als die Vorgänger auf Lo-Fi-Charakter, sondern auf einen klareren Sound. „Früher haben wir uns hinter Mauern aus Hall, Geräuschen und Studiotricks versteckt. Diese Songs sollten in hellem Licht dastehen“, sagt Frontmann Chris Lopez über die zehn Lieder des heute erscheinenden Sixth House.

In ihren Anfangsjahren hatte seine Band vor allem unter Musikerkollegen viele Freunde. Einige von ihnen, wie Dan Bejar von Destroyer, gingen sogar so weit, sie als die am meisten unterschätzte amerikanische Rockband der Neunziger zu bezeichnen. In kommerzieller Hinsicht war diese Bewunderung wenig hilfreich: Es gibt reichlich Geschichten über schlecht besuchte Konzerte und deprimierende Tourneen; selbst in einer Zeit, in der Menschen noch Platten gekauft haben, wollten sie die Platten dieser Band nur in sehr überschaubarer Zahl haben. The Rock*A*Teens waren talentierte Verlierer, die mehr Aufmerksamkeit verdient hätten, einflussreich in ihrem Sound, mit dem spätere Acts dann deutlich mehr Erfolg hatten.

Sixth House liefert aber auch ein Indiz dafür, warum es mit dem großen Erfolg nicht geklappt hat. Auch in der neuen Besetzung, die neben Lopez aus Gitarrist Justin Hughes, Bassist William R. Joiner und Schlagzeuger Ballard Lesemann besteht, fügt die Band viele Genres wie Garage, Doo-Wop oder Rockabilly zu einem sehr urtümlichen, sehr amerikanischen Sound zusammen. Der Opener Billy Really beispielsweise zeigt schon in den ersten Sekunden der Platte die wichtigsten Zutaten: Gitarren und Leidenschaft. Dann folgt ein sympathischer Refrain mit einem verschlafenen Offbeat. Closest To Heaven integriert etwas Psychedelik, der Abwechslungsreichtum von Listen, Sonny Boy reicht von der Leichtigkeit des „yeah, yeah, yeah“ bis zur eindringlichen Fassungslosigkeit der Zeile „Are you running with the wrong guy?“. Das getragene Baby’s On To Me offenbart die akustische Gitarre als Basis vieler Songs auf Sixth House, dann kommt ein recht theatralischer Moment, in dem das Schlagzeug einsetzt – durch diese Mittel kommt das hier omnipräsente Gefühl von Leiden, Sehnen und Flehen gut rüber. Der Rausschmeißer Crystal Skies will ganz viel, bleibt aber dadurch etwas nichtssagend.

Das eigentliche Problem des Albums – vielleicht zumindest ein Teil der Ursache für die Erfolglosigkeit der The Rock*A*Teens – ist die Stimme von Chris Lopez. Sie klingt, als würde er gleichzeitig mit aller Kraft singen und trotzdem gegen seinen Willen. Pitchfork hat ihm recht treffend ein „hirnloses Heulen, das zwischen den Worten hilflos zerbricht“ attestiert. Man kann darin Charme und Charakter sehen oder eine Entsprechung des Gedankens, dass die Band stets auch das Destruktive und den Abgrund in den Blick nimmt. Für die Wirkung von Sixth House ist es aber ein klares Defizit.

Die Single Go Tell Everybody illustriert das: Sie hat einen guten Refrain und bietet in der Instrumentierung viele spannende Details, auch einen Hauch von Groove. Aber Lopez‘ Stimme macht vieles davon platt, sodass der Gesamteindruck eines wahnsinnig Unzufriedenen alles dominiert. Denkt man sich die Stimme weg, könnte ein Lied wie Lady Macbeth wunderbar ins Solowerk von Noel Gallagher passen. Turn And Smile bietet einen sehr klassischen Americana-Sound mit reichlich Jangle (und cleveren Zeilen wie „I was born on the wrong side of right“ oder “I always knew that this would end in tears / I didn’t think that they’d be mine”), wie man ihn tausendfach kennt. Das Spezielle soll offensichtlich die Stimme einbringen, die tatsächlich speziell ist, aber eben nicht sonderlich einnehmend. So entsteht ein Eindruck, der fürs gesamte Album passt: okay, aber nicht zwingend.

Im entspannten und etwas lakonischen Count In Odd Numbers passt der Gesang von Chris Lopez am besten zum etwas überheblichen Sound, denn er ist hierintensiv, aber ohne Wärme, kernig, aber ohne Kraft. Lost In Sound gefällt ebenfalls, weil es einerseits den besten Refrain des Albums zu bieten hat, der Gesang andererseits endlich einmal klingt, als würde er nichts zurückhalten oder bloß schauspielern. Bezeichnenderweise geht es in diesem Lied um die Liebe zur Musik, um das Glück, das sie schenken kann. Dass The Rock*A*Teens wieder da sind, sei ihnen deshalb gegönnt, ebenso wie die Genugtuung, die einstige Wegbegleiter vielleicht durch dieses Comeback erfahren. Dass irgendjemand der Nachgeborenen Sixth House allerdings spektakulär findet oder für immer ins Herz schließen wird, erscheint höchst fraglich.

Der Trailer zum Album.

The Rock*A*Teens bei Facebook.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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