Grillmaster Flash – “Stadion”

Künstler Grillmaster Flash

Grillmaster Flash Stadion Review Kritik
Schlimmes Cover, guter Typ: Grillmaster Flash will ins “Stadion”.
Album Stadion
Label Grand Hotel van Cleef
Erscheinungsjahr 2018
Bewertung

„Ich brauche jetzt ein Bier / in ‘ner Action-Situation.“ So lautet eine Zeile im ersten Refrain dieses Albums. Bier & Action heißt der dazugehörige Song, und wer dieses Gefühl noch nie in sich gespürt hat, wird höchstwahrscheinlich ein Problem mit der Musik von Grillmaster Flash haben. Es geht ihm um Kumpels und Party, um das Einstehen füreinander und notfalls auch ein bisschen Krawall als Mittel zum Ausbruch aus dem Alltag. Wer ihm Böses will, wird das „prollig“ nennen. Wer die Sache mit dem Bier und der Action hingegen nachempfinden kann, wird großes Vergnügen mit Stadion haben.

Natürlich setzt sich Grillmaster Flash (bürgerlich: Christian Wesemann) auch mit dem Titel für sein zweites Album dem Verdacht aus, sein Werk sei vor allem ironisch gemeint, schließlich ist er von großen Arenen weit entfernt. Auch das grässliche Albumcover könnte dazu beitragen (für die Plattenhülle des Vorgängers Andere Leude My Ass hatte er noch das Motiv von Bruce Springsteens Born In The USA nachgestellt). Schnell zeigt der 1983 geborene Mann aus Bremen aber auf dieser Platte: Humor ist bei ihm gern gesehen, aber Klamauk ist dies keineswegs. Ähnlich wie bei Tenacious D oder meinetwegen auch Christian Steiffen steckt hinter der vermeintlich lustigen Oberfläche eine tiefe Leidenschaft. Das gilt auch beim Blick auf den Albumtitel: Das Stadion ist der Ort, wo „alles laut, alles groß, alles gut“ ist, wie es im Titelsong heißt. Es ist allerdings auch der Ort, an den man es nur als Rockgott oder Fußballstar schaffen kann. Letztlich steht das Stadion also dafür, möglichst groß zu träumen – und seine Träume nicht allzu früh zu beerdigen.

Dieses Motiv findet sich immer wieder bei Grillmaster Flash. Er wagt sich an eine Frau heran, die so glamourös und exotisch ist, dass sie Zsa Zsa Gabor gleicht. Die ersten Sekunden des gleichnamigen Songs sind ein Gruß an Refugee von Tom Petty, dann kommt ein Gemisch von Deutsch, Englisch und Französisch zum Einsatz, um irgendwie die Großartigkeit dieser Lady beschreiben zu können. Das Gegenstück dazu (allerdings aus einer sehr ähnlichen Perspektive des Mannes, der ahnt, dass das Objekt seiner Begierde vielleicht in einer anderen Liga spielt) ist Ich hab den falschen Schlüssel (zu deinem Herzen). Der Erzähler lernt hier: Sich ausgerechnet in die hübsche Frau vom Schlüsseldienst zu verlieben, die man immer wieder herbeirufen muss, weil man sich nicht traut, sie endlich einmal anzusprechen, ist eine ziemlich teure Flirt-Strategie – aber natürlich ist das kein Grund, sich die Dame aus dem Kopf zu schlagen.

Derlei Durchhaltevermögen ist Grillmaster Flash auch für seine Musik wichtig, wie er im Interview erzählt. „Was ich in jedem Fall schätze, ist Ausdauer, also Leute, die schon richtig lange dabei sind und auch ein paar Tiefs erlebt haben. Das braucht man im Musikgeschäft. Ich finde Bands immer geil, die eine Haltung haben, denen es auch egal ist, wenn es gerade mal nicht läuft. (…) Davor habe ich viel Respekt.“ Am deutlichsten wird das in Johnny gib(t) nicht auf. Der „große alte Traum“, den die hier besungene Figur träumt, ist der vom Dasein als Rockstar, auch wenn Johnny längst ahnt, dass er schon viel zu lange nur in Freizeitheimen auftritt, um den Traum eines Tages wirklich noch leben zu können.

So altmodisch und romantisch das ist, so gut passt der Sound, den Grillmaster Flash dazu gewählt hat. Stadion enthält reichlich von dem, was man abwertend gerne „Schweinerock“ nennt, gerne auch mit der dazugehörigen „Schweineorgel“, oft in der Nähe von Achtziger-Rockern wie Def Leppard, Whitesnake oder auch Bryan Adams. Hängen mit den Jungs ist ein schönes Beispiel dafür, als Hymne auf das Wochenende, mit Musik, Bier und Spektakel, das vielleicht in Mutproben und Jugendsünden besteht, vielleicht auch einfach in der Intensität von Zusammenhalt. Pleite gehen könnte von Madsen sein, wenn sie ein Interesse für Volkswirtschaftslehre (mit einer Neigung zum Pessimismus) entwickeln würden, auch Weezer kann man darin erkennen, nicht zuletzt wegen des irren Hairmetalgitarrensolos am Ende, gespielt von Ibrahim Lässing. In Sottrum klingt die Vorliebe für Bruce Springsteen deutlich an. Zwischen Bremen und Hamburg liegt dieser Ort mit „graumelierten Häusern“, „wo die Kinder noch Andreas heißen“. Grillmaster Flash war zwar nie dort, aber als Metapher für die Welt, in der die meisten seiner Lieder spielen, passt Sottrum perfekt.

Eine angesichts des albernen Covers fast überraschende Erkenntnis ist die Tatsache, dass auf Stadion auch durchaus eine Botschaft mit gesellschaftlicher, sogar politischer Relevanz zu finden ist. Alles bleibt wo es ist ist das erste Lied, das in dieser Hinsicht aufhorchen lässt. Es geht um Verweigerung, die Lust auf Sturheit und den Stolz darauf, nicht mitzulaufen im Hamsterrad. „Vor dem Rest meines Lebens schließe ich die Tür“, heißt das dann. Auch der vergleichsweise erwachsene Album-Schlusspunkt Keine Zeit geht in diese Richtung, als Mahnung, dass wir uns viel zu oft stressen lassen und dabei wahrscheinlich das wirklich Wichtige verpassen. Stellung Halten verbindet die Betonung der eigenen Autonomie mit dem Hedonismus und der Leichtigkeit, die so wichtige Zutaten für dieses Album sind. Voll motiviert ist Grillmaster Flash höchstens beim Partymachen, aber nicht aus Faulheit heraus, sondern weil er hinterfragt, ob sich die Ziele des Abrackerns wirklich lohnen. „Stell dir vor, es ist Arbeit / und keiner geht hin“, singt er da, schließlich kommt der Slogan: „Hippies waren gestern / wir sind Penner.“

Dass diese Musik nichts gegen einen guten Gag hat, verwundert bei so einem Künstlernamen nicht. Dass Grillmaster Flash die eigene Haltung und vor allem die Protagonisten seiner Lieder aber durchaus ernst nimmt, bewahrt ihn aber davor, lächerlich zu sein.

Keine Jungs gibt es im Video zu Hängen mit den Jungs.

Grillmaster Flash ist demnächst im Vorprogramm von Madsen unterwegs:

16.11. Hannover, Capitol
17.11. Köln, Palladium
22.11. Bonn, Bla (ohne Madsen)
23.11. München, Tonhalle
24.11. Stuttgart, Theaterhaus
30.11. Leipzig, Werk 2
01.12. Wiesbaden, Schlachthof

Website von Grillmaster Flash.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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