Hingehört: Sarabeth Tucek – “Get Well Soon”

Auf "Get Well Soon" verarbeitet Sarabeth Tucek den Tod ihres Vaters.
Auf “Get Well Soon” verarbeitet Sarabeth Tucek den Tod ihres Vaters.
Künstler Sarabeth Tucek
Album Get Well Soon
Label Sonic Cathedral
Erscheinungsjahr 2011
Bewertung ***

Ein Trauerkloß. Ein anderes Wort kann es nicht geben, um Get Well Soon zu umschreiben, das zweite Album von Sarabeth Tucek. „The world turned upside down / everything shook to the ground“, heißen die ersten beiden Zeilen des Openers The Wound And The Bow. Sarabeth Tucek singt diese Worte nur zur Akustik-Gitarre, mit einer ganz hohen Stimme, als wolle Heather Nova in die Arktis fliehen vor lauter Weltschmerz.

Wooden, das nächste Lied, bekommt dann sogar eine Spiel mir das Lied vom Tod-Mundharmonika verpasst und ist ebenso gespenstisch, bevor nach zwei Minuten ein Gitarren-Orkan in bester Neil-Young-Manier losbricht – wie ein reinigendes Gewitter, als könne Sarabeth Tucek ihre Trübsal selbst nicht mehr ertragen.

Es ist ein bezeichnender Moment für Get Well Soon, das während zwei Wochen in Pennsylvania aufgenommen wurde (übrigens im selben Studio, in dem auch Howl vom Black Rebel Motorcycle Club entstanden ist) und das Produzent Luther Russell einfach im Rough Mix belassen hat. Denn diese zwei Extreme sind die einzigen Facetten, die es auf Get Well Soon gibt: stumme Wut zu aggressiven E-Gitarren und abgrundtiefe Trauer im angenehm akustischen Gewand. Kein Wunder: Sarabeth Tucek hatte nach dem Erscheinen ihrer Debütsingle im Jahr 2007 zwar reichlich Kritikerlob eingeheimst, privat lief es für sie aber alles andere als gut. „Some very bad things happened during the first record and after. It was as if all that had ever troubled me, hurt me, came back just as I was embarking on what should’ve been the happiest time of my life”, sagt sie.

Einer der Schicksalsschläge war der Tod ihres Vaters. Ihr Kummer war so groß, dass sie keine andere Möglichkeit sah, als ihn auf Get Well Soon zu verarbeiten: „It’s hard to explain the ferocity of the grief I experienced when my father died. I really felt like it was going to kill me.” Nun singt sie untröstlich zum Klavier in A View, sie wagt sich mit Rising in düstere Gefilde oder kleidet ihren Schmerz in wunderhübsche Balladen wie Smile For No One.

Wenn sie zu Piano und einem markanten Klavier greift wie in At The Bar, dann wirkt das wie eine melancholische Version von Kate Nash. Das fast nur geflüsterte Things Left Behind erinnert an Sophie Zelmani. Und wenn Sarabeth Tucek beklagt, dass selbst die sonst so heldenhaften Feuerwehrleute sie nicht vor ihrem Verlust bewahren konnten (The Fireman) und der Sound dabei ein wenig zupackender wird, dann würde das auch gut auf eine Platte von A-Camp passen. Die rockigeren Momente (vor allem State I Am In mit seinem tollen Refrain) lassen an Cat Power oder Juliana Hatfield denken.

Auffällig, auch angesichts dieser Bezugspunkte, ist dabei allerdings: Sarabeth Tucek versinkt hier fast immer in eine Rolle völliger Passivität. Sie vermisst, sie wartet, sie bereut, sie bettelt. Angesichts des Themas ist das nicht verwunderlich. Aber trotzdem wirkt es auf Dauer ein wenig ermüdend – vor allem, weil sie dabei manchmal so weit geht, dass sie bloß noch wie ein Opfer wirkt, und kaum mehr wie die Autorin ihrer eigenen Songs. The Doctor ist ein gutes Beispiel dafür, weil der Gesang hier der dramatischen Musik fast ohnmächtig gegenüber steht. Auch das folgende Exit Ghost gelingt nicht: Der Track baut mit reichlich Gitarrenwucht eine ordentliche Fallhöhe auf, hat danach aber nicht mehr viel zu bieten.

Insgesamt ist Get Well Soon aber trotzdem ein Triumph über die Trauer. Ganz am Schluss steht der Song, der diesem Album seinen Namen gab, und bei dem erstmals ein bisschen Hoffnung in diese Platte Einzug hält. “When I wrote the title track I had a friend of mine on my mind. She was so sad… just inconsolable and it was painful to see her like that. The title is a reminder to keep myself well”, sagt Sarabeth Tucek. Get Well Soon – das singt sie also auch ein bisschen zu sich selbst.

Sarabeth Tucek lebt mittlerweile wieder in New York. Im Video zu State I Am In macht sie das aber auch nicht sonderlich glücklich:

httpv://www.youtube.com/watch?v=QE7w0FcxeJE

Sarabeth Tucek bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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