The Flaming Lips – “With A Little Help From My Fwends”

Künstler The Flaming Lips

The Flaming Lips With A Little Help From My Fwends Review Kritik
In originaler Reihenfolge und mit vielen Gästen spielen The Flaming Lips einen Beatles-Klassiker nach.
Album With A Little Help From My Fwends
Label Bella Union
Erscheinungsjahr 2014
Bewertung

Man wundert sich bei den Flaming Lips ja über nichts mehr. Die Band um Frontmann Wayne Coyne ist mit Platten wie The Soft Bulletin zu einem Kritikerliebling geworden (der NME kürte das Werk 1999 zum Album des Jahres), danach hat der Mann aus Oklahoma vor allem Blödsinn verzapft und Spaß gehabt. Zuletzt gab es in erster Linie spektakuläre Konzerte und eine Vorliebe für die Zusammenarbeit mit Pop-Sternchen.

Wieso sie als fünften Teil ihrer Fwends-Serie, bei der Kollaborationen mit anderen Künstlern versammelt werden, ausgerechnet das vielleicht legendärste Popalbum aller Zeiten nachspielen müssen, erschließt sich indes nicht. Es gibt kein rundes Jubiläum für das 1967 veröffentlichte Beatles-Meisterwerk Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band, auch die bisherigen Cover-Alben, bei denen Platten von Pink Floyd und den Stone Roses von den Flaming Lips gemeinsam mit Gästen neu interpretiert wurden, hatten diese Entscheidung nicht gerade nahe gelegt. Vielleicht sollte man die Erklärung gelten lassen, die Wayne Coyne für die Entstehung gab: Er hat viele Haustiere, Miley Cyrus (die hier zweimal vertreten ist und mit der Coyne später auch noch eine Platte mit dem bezeichnenden Titel Miley Cyrus & Her Dead Petz veröffentlichen sollte) ebenfalls, und die Erlöse aus With A Little Help From My Fwends spenden alle beteiligten Künstler an die Bella Foundation, die Haustierbesitzer in Oklahoma City unterstützt, die sich aus Alters-, Krankheits- oder finanziellen Gründen nicht mehr selbst ausreichend um ihre Tiere kümmern können.

Die Genres werden auf den 13 Songs, die in Originalreihenfolge erklingen, so wild gemischt, wie man das bei den Flaming Lips erwarten darf, die Gästeliste ist äußerst prominent besetzt, das Qualitätsgefälle ist beträchtlich und reicht von “frevelhaft” bis “essentiell”. My Morning Jacket eröffnen unterstützt von Fever Ghost und J. Mascis (Dinosaur Jr.) die Platte mit Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band, das hier klingt wie unter Wasser aufgenommen, bis das fast schmerzhafte Gitarrensolo die spinnerte Atmosphäre zerschneidet. Für With A Little Help From My Friends gehen The Flaming Lips erstmals selbst ans Werk, außerdem sind Black Pus und The Autumn Defense dabei. Das durchgeknallte Ergebnis strahlt unter anderem mittels verfremdeter Stimmen und rückwärtslaufender Drums eine perverse Schönheit aus, die vor allem daraus erwächst, dass die Melodie weitgehend beibehalten wird.

Lucy In The Sky With Diamonds hat den größten Star-Faktor: Miley Cyrus und Moby sind hier mit am Werk. Der große Reiz dieser Neuinterpretation entsteht aus der Versehrtheit ihrer Stimmen, der Refrain bekommt eine bedrohliche Kraft – man möchte wetten, dass John Lennon seinen Spaß daran gehabt hätte. Dr. Dog & Chuck Inglish & Morgan Delt nehmen sich Getting Better an, das sich aus einer anscheinend desorientierten Orgel heraus schält. Ihre Version nimmt im Vergleich zum Original den Punch heraus, fügt aber viel Wärme (und natürlich etwas Wahnsinn, vor allem durch den weitgehend chaotischen Beat) hinzu. Bei Fixing A Hole, für das Electric Würms (ein Nebenprojekt der Flaming Lips) als Interpreten genannt werden, scheint der Regen doch schon durchs Dach hereingekommen zu sein, denn alles ist reichlich verwaschen.

Phantogram & Julianna Barwick & Spaceface behalten in She’s Leaving Home fast nur die Gesangsmelodie bei, dazu gesellen sich anscheinend willkürliche Rhythmen und Effekte. Being For The Benefit Of Mr. Kite!, eingespielt von den Flaming Lips mit Maynard James Keenan (Tool) und Puscifer und Sunbears erweist sich als eines der Beispiele, das zeigt, wie irre auch schon die Originale der Beatles sind. Der Instrumentaltrack gleicht einer klaffenden Wunde, die Stimme von Keenan passt perfekt dazu. Within You Without You (hier von Birdflower & The Flaming Lips & Morgan Delt umgesetzt) wahrt die Balance zwischen betörend und weggetreten, der Gesang von Birdflower könnte tatsächlich im Jahr 1967 eingefroren und jetzt wieder aufgetaut worden sein.

When I’m Sixty-Four setzen Def Rain & The Flaming Lips & Pitchwafuzz wie ein Duett zwischen einer unverfälschten und einer stark verfremdeten Stimme um, die Neuinterpretation von Lovely Rita, die Tegan And Sara & Stardeath And White Dwarfs hier präsentieren, könnte auf Airs Moon Safari passen, wenn man die Exaltiertheit abzieht. Good Morning Good Morning, neu eingespielt von Zorch & Grace Potter & Treasure Mammal, zeigt, wie modern und innovativ die Vorlage ist, Spannung erhält der Song auch aus einem Zweikampf: Der Gesang (inklusive Doo-Wop-Einlage) und der Rhythmus (fast durchweg im Angriffsmodus) streiten darum, wer kreativer ist.

An die Reprise von Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band wagen sich Foxygen und Ben Goldwasser (MGMT) erst weitgehend originalgetreu, bis dann nach fast exakt einer Minute eine ausgiebige Jam-Session folgt, die mit ihren RnB-Wurzeln eigentlich besser zu den Rolling Stones gepasst hätte. Für das abschließende A Day In The Life verzichten The Flaming Lips, hier wieder mit Miley Cyrus und außerdem New Fumes, auf das Orchestrale der Beatles-Aufnahme und machen daraus stattdessen eine zerbrechliche Hymne, die sich von einer Klavierballade zu Chillout-House und wieder zurück entwickelt.

Die Antwort darauf, was das alles soll, hat man nach 13 Tracks durchaus gefunden: With A Little Help From My Fwends ist zugleich Liebesbeweis und Selbstinszenierung. Die beste Aufforderung für diese irre Tour kann nur lauten: “Climb in the back with your head in the clouds!”

Das Video zu Lucy In The Sky With Diamonds ist eine schöne Definition des Begriffs “durchgeknallt”.

Website der Flaming Lips.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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