Interview mit Gregor McEwan

Gregor McEwan Leipzig Interview
Gregor McEwan ist auf Tour mit seinem dritten Album. Foto: Amadis/Timothy O. Sweebe

Einen Tag nach der Veröffentlichung seines dritten Albums From A To Beginning treffe ich Gregor McEwan in einer Buchhandlung im Leipziger Hauptbahnhof. Der Ort ist nicht zufällig gewählt: Zum einen ist der 35-Jährige, der eigentlich Hagen Siems heißt, gerade aus Magdeburg angekommen, wo er das zweite Konzert seiner aktuellen Tour gespielt hat – am Abend wird er im Horns Erben in Leipzig (über dessen Historie er besser informiert ist als ich, obwohl ich nur fünf Minuten entfernt lebe) auf der Bühne stehen. Zum anderen wollte er gerne die aktuellen Ausgaben diverser Musikzeitschriften sichten, um zu schauen, wie die Kritiken für die neue Platte denn ausgefallen sind. Im Musikexpress wird er fündig, die Besprechung ist wohlwollend. Entsprechend gut gelaunt beginnt unser Gespräch, in dem es um den Reiz von Coverversionen, eine Grüne Hölle und die prägende Kraft von Roxette geht. Und um Kritiken, die wirklich weh tun können.

Gestern ist From A To Beginning erschienen, vorgestern hat die Tour begonnen – ist das gerade die spannendste Phase im Leben als Musiker?

Gregor McEwan: Ja, total. Man selbst ist ja meistens zufrieden, wenn die Platte fertig ist, aber dann stellt sich die Frage: Wie kommt es bei den Leuten an? Ich mache mir zwar keinen Stress, wenn es mal jemandem nicht gefällt. Aber natürlich hoffe ich auf positives Feedback. Ich suche auch gezielt nach Kritiken über die Platte, weil mich interessiert, was die Leute davon halten – gerade, wenn sie aus einer etwas anderen Ecke kommen. Meinetwegen in einem Punk- oder Jazzmagazin.

Gab es schon einmal eine Kritik, die dich wirklich weitergebracht hat? Wo du gesagt hast: Hmm, da ist vielleicht was dran, das könnte ich berücksichtigen? Oder die dir auf andere Weise an die Nieren gegangen ist?

Es gibt gerade einen ganz aktuellen Fall, wo ich mir eine Kritik sehr zu Herzen genommen habe. Darin hieß es, ich würde extrem deutsch klingen. Das ging mir unfassbar nahe, weil ich wirklich extrem darauf achte, dass es nicht so ist. Ich möchte, dass meine Musik nicht deutsch klingt. Ich denke auch, dass mir das ganz gut gelingt. Deshalb freut mich besonders, dass es jetzt auch ein paar internationale Blogs gibt, die über meine Sachen berichten.

Bei From A To Beginning hast du etwas länger mit dir ringen müssen, bevor das Album dann Gestalt angenommen hat. Ist man nach so einer Entstehungsgeschichte besonders sensibel, wie das Feedback ausfällt?

Ganz so kompliziert war die Entstehung eigentlich gar nicht. Ich habe erst nichts geschrieben, weil ich gerade eine Platte fertig hatte. Dann war ich auf Tour. Danach ist es normal, dass man erst einmal ein wenig Abstand zur eigenen Musik haben will. Diese Phase hat diesmal allerdings ein bisschen länger gedauert, deshalb wurde ich etwas nervös. Aber irgendwann kam zum Glück der folkige Teil im Rewind-Song, und dann auch gleich drei, vier weitere. Ab dann lief es. Ein paar Sachen habe ich auch von meiner alten Band recycelt.

Wenn du Ideen für neue Songs hast, sind das am Anfang eher Texte oder ist es die Musik?

Viele glauben mir das nicht, aber oft fällt mir wirklich beides gleichzeitig ein. Eine Bridge und ein Refrain, die dann zusammengehören, auch schon ein paar Worte dazu. Das ist dann noch nicht der endgültige Text, sondern oft eher Kauderwelsch. Aber man hat schon eine Ahnung, welche Laute vielleicht darin sein könnten oder welche Worte cool klingen.

Du hast als B-Seite eine Coverversion von Natalie Imbruglias Torn aufgenommen, ich kann mich auch an eine Liveversion von Inside Of Love von Nada Surf erinnern und an ein Medley aus Covers am Ende deiner Konzerte. Mein Eindruck ist, dass du diesmal im Studio auch dein eigenes Material ein bisschen wie eine Coverversion betrachtet hast. Als hättest du einen Ausgangspunkt gehabt und dann geschaut, welche Gestalt so ein Song noch annehmen kann. Stimmt das?

Im Studio passiert das nicht so oft, aber im Proberaum probieren wir viel in diese Richtung. You And I ist ein Beispiel dafür. Das klang erst ganz anders, hat aber nicht funktioniert. Dann haben wir einen Noel-Gallagher-Groove darunter gepackt und eine Tapping-Gitarre à la Daft Punk. Damit war es viel besser. Ich verfolge also nicht so sehr die Idee, den eigenen Song wie eine Coverversion zu betrachten, sondern eher umgekehrt: Man blickt auf verschiedene Einflüsse und Erinnerungen und fügt die dann mit der eigenen Idee zusammen.

Bleiben wir kurz beim Beispiel Noel Gallagher. Hast du öfter das Ziel: Dieser Song soll klingen wie Noel? Oder denkst du öfter: Dieser Song soll um Gottes Willen nicht wie Noel klingen, weil dieser Vergleich sowieso schon so oft genannt wird?

Es ist schon eher die erste Kategorie. Ich habe ein Ideal im Kopf, und dann versuche ich, diesem Sound sehr nahe zu kommen. Bei Alderaan war das diesmal so. Das klingt nach frühem Emo, also Get Up Kids oder Weakerthans. Das ist Musik, die ich schon immer mag, auch wenn ich das auf den früheren Platten nicht so rausgelassen habe. Aber dieser Song sollte genau nach diesem Genre und nach dieser Zeit klingen. Oft habe ich einfach ein Gefühl für einen Song und weiß, ob er dann eher nach Folk oder nach Screamo klingen soll. In gewisser Weise spricht der Song dann zu mir oder zur Band und sagt: Mach genau das mit mir!

Nochmal kurz zu den Coverversionen: Wie wählst du die aus? Ist es einfach die Freude daran, ein schönes Lied zu singen?

Torn fand ich als Song immer schon gut. Ich fand es spannend, ihn aus einer männlichen Perspektive zu singen, etwas langsamer, aber trotzdem kraftvoll. Und wenn ich das singe, versetzt es mich zurück in die Zeit, als das ein Hit war, und viele der Leute in meinem Publikum wahrscheinlich auch.

Ist dir dieses Mitnehmen der Fans wichtig? Schaust du beispielsweise nach Aufrufen für deine Songs bei Youtube, Spotify oder Soundcloud?

Ja, schon. Ich fange allerdings gerade erst an, mich mehr damit zu beschäftigen. Es ist faszinierend, wie schnell man da einen Effekt messen kann. Und man kann da auch eine Menge Leute erreichen, wenn man in den richtigen Playlists ist.

Macht das was mit dir, wenn die Zahlen überraschend gut oder unerwartet schlecht sind?

Ein bisschen, weil ich das nicht ganz ausblenden kann. Wenn ein Song unerwartet viele Aufrufe hat, frage ich mich schon: Muss ich den jetzt auch live spielen? Aber solche Situationen gibt es auch ohne Spotify, wenn beispielsweise jemand nach dem Konzert zu mir kommt und sagt: Hey, du hast mein Lieblingslied gar nicht gespielt! Oder: Warum hast du nur drei Songs vom zweiten Album gespielt? Letztlich versuche ich, das schon ein bisschen zu beachten, aber natürlich auch die Sachen zu spielen, auf die ich gerade Lust habe.

Die Songs vom neuen Album dürften wegen der aufwendigen Produktion recht schwer live in Solo-Versionen umzusetzen sein, oder?

Das stimmt. Es wäre vielleicht etwas einfacher, wenn ich mit Loops arbeiten würde. Aber das möchte ich nicht, weil es mich zu sehr ablenkt und weil das in letzter Zeit von anderen Künstlern auch ein bisschen inflationär gebraucht wird. Ich arbeite am liebsten mit der Gitarre und drei Gesangsmikros, wo man mit den Effekten ein paar Stimmen dazulegen kann. So bekomme ich die Harmonie-Passagen ganz gut hin. Oft nutze ich auch genau die Einstellungen, die wir im Studio verwendet haben, das macht es etwas einfacher.

Was war eigentlich am 19.7.13? So heißt ja einer der Songs auf dem neuen Album.

An dem Tag habe ich meine Freundin kennengelernt. In der ersten Strophe buchstabiere ich ihren Namen: „If every K is for the kisses and every A is for affection and every T is for the time end, I could be your island.“ Die Idee hatte ich aus einem Song von Slut namens The Day It Rained Forever, da machen sie das so ähnlich. Eigentlich sollte der Song auch K-A-T-I heißen, aber mein Pianist meinte dann, das sei zu offensichtlich. Dann habe ich etwas Geheimnisvolleres gesucht, und so bin ich auf das Datum gekommen.

From A To Beginning Gregor McEwan Kritik Rezension
Ein Jahr hat Gregor McEwan an „From A To Beginning“ gearbeitet.

Wenn du dich zwischen Singen und Gitarrespielen entscheiden müsstest, was würdest du wählen?

(überlegt lange) Boah, das ist fies. Ich würde mich wohl fürs Singen entscheiden. Vielleicht, weil ich Gitarre schon so lange spiele und beim Gesang das höhere Entwicklungspotenzial sehe. Ich fühle mich von Album zu Album wohler mit meiner Stimme, diesmal haben wir bei den Aufnahmen fürs Album auch extrem viel Zeit da rein gesteckt. Wahrscheinlich würde ich deshalb das Singen wählen. Andererseits brauche ich oft zum Singen auch die Gitarre. Selbst, wenn ich nur eine Gesangsspur aufnehme, hänge ich mir manchmal die Gitarre um, damit ich dieses Gefühl habe. Es wäre also auf jeden Fall schade um die Gitarre.

Du bist fast den ganzen Januar und Februar noch live unterwegs. Wie wohl fühlst du dich mittlerweile als Performer?

Auch da fühle ich mich immer wohler, bei den Ansagen, auch bei der Bewegung auf der Bühne. Ich habe gelernt, dass es hilft, wenn man sich nicht allzu ernst nimmt. Die meisten Songs von mir sind ja ernst genug, da kann man zwischendrin ruhig auch etwas witzig sein und die Leute unterhalten. Und es bringt nichts, sich zu verstellen für eine Show. Letztlich kommt es am besten an, wenn man man selbst ist.

Von der Show in Berlin habe ich ein Foto mit dir und einem Konzertbesucher gesehen, der ein Schild hochhält: „I went to a Gregor McEwan concert and now I’ll start a band.“ Gab es so einen Initialmoment für dich?

Das war André von Children! Die machen gerade einen Remix von einem meiner Songs, der demnächst als B-Seite erscheinen soll. Er hat also schon eine Band (lacht). Ich hatte die Idee mit den Schildern, inspiriert von einem Ryan-Adams-T-Shirt, um ein bisschen Material für Social Media zu haben.

Jenseits dieses Gags: Gab es so einen Künstler, so ein Konzert für dich? Ein Erweckungserlebnis, nach dem du gesagt hast: Das will ich auch machen?

Da gab es zwei Komponenten. Das eine war ein Konzert in der Grünen Hölle in Haltern, das war ein feuchter, ranziger Keller im Schulzentrum. Damals war ich 16 oder 17, und ich hatte vorher nie ein Konzert gesehen. Da hat die damalige Band von Tim gespielt, der dann später Sänger bei Helter Skelter geworden ist, wo ich auch mitgespielt habe. Der zweite Moment war ungefähr zur selben Zeit, als ich Roxette bei MTV Unplugged gesehen habe. Ich habe damals schon ziemlich lange klassische Gitarre gespielt, Sachen von Beethoven und Mozart, mit Fußbänkchen und Notenständer und so. Der Unplugged-Auftritt hat mir dann gezeigt: Wow, man kann eine akustische Gitarre auch so spielen, und das kann cool aussehen. Ohne Fußbänkchen. Von da an wollte ich lieber Akkorde spielen statt einzelne Töne. Und jetzt sind wir hier gelandet. (lacht)

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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