Künstler*in | Cat Power | |
Album | Covers | |
Label | Domino | |
Erscheinungsjahr | 2022 | |
Bewertung |
Das, ähem, Cover von Covers zeigt eine Jeansjacke, in deren Brusttasche ein Reisepass steckt. Das kann im Kontext dieser Platte, mit der Chan Marshall unter ihrem Künstlernamen Cat Power zum dritten Mal nach The Covers Record (2000) und Jukebox (2008) eine Sammlung ihrer Interpretationen der Lieder anderer Künstler*innen vorlegt, vielleicht zwei plausible Bedeutungen haben. Erstens sind die eigenen Versionen von mehr oder weniger bekannten Originalsongs eine tolle Möglichkeit, musikalisch an andere Orte, in andere Zeitalter und sogar in den Kopf anderer Menschen zu reisen. Zweitens ist der Reisepass ein Ausweisdokument, das die Identität bestätigt. Die Botschaft lautet also vielleicht: Das hier sind zwar Covers, aber es ist auch eindeutig immer und überall Chan Marshall.
Sie eröffnet das morgen erscheinende Album mit ihrer Interpretation von Frank Oceans Bad Religion und setzt darin sogleich den Ton: Diese Stimmung, in der man plötzlich seine tiefsten Gefühle einem völlig Fremden offenbaren möchte, setzt sie mit gefühlvoller Gitarre und reduziertem Klavier um, sodass ihr Gesang umso prägender wird. Auch danach greift sie immer wieder auf Vorlagen zurück, in denen Menschen am Scheideweg oder kurz vor einem Durch- oder Ausbruch stehen.
Das lässt sich etwa in White Mustang beobachten, das von Lana Del Rey stammt, mit der Cat Power zuletzt auf ihrem Album Wanderer (2018) auch schon ein Duett gesungen hat. Der Song blickt bei ihr mit einem Seventies-Touch auf Verlust, Sehnsucht und das kleine bisschen Lust auf ein Auskosten des Schmerzes, zu dem man womöglich selbst beigetragen hat. Against The Wind (Bob Seger) fängt das Gefühl von Aufgewühltsein und Aufbruch auf spannende Weise ein, Here Comes A Regular (The Replacements) unterstreicht mit einem überraschenden Stimmeffekt den Eindruck von Verlorenheit, die Single Pa Pa Power (ursprünglich von Dead Man’s Bones, die zu einer Hälfte aus Ryan Gosling bestehen) zeigt, dass man zugleich souverän, cool und leidenschaftlich klingen kann.
Mit Unhate covert sich Cat Power einmal sogar selbst: Der Song, der damals noch Hate hieß, stammt von ihrem 2006er Album The Greatest. Die Neufassung ist zunächst sinnlich im Stile von Joni Mitchell, zeigt dann am Ende große Entschlossenheit, sogar etwas Wut in den allerletzten Klaviertönen, und bekommt als Lied über Todessehnsucht und Überleben in diesen Pandemie-Zeiten zudem eine neue Konnotation, die vielleicht auch der Grund für die Neuaufnahme war.
Iggy Pops Endless Sea wird hier stoisch und dadurch unfassbar sexy, Jackson Brownes These Days entwickelt durch seine Spontaneität eine berückende Schönheit, I Had A Dream, Joe ist – wie das Original von Nick Cave & The Bad Seeds – sowohl bedrohlich als auch etwas exzentrisch. Country klang selten so cool wie in der hier zu hörenden Fassung von It Wasn’t God Who Made Honky Tonk Angels (die Vorlage stammt von Kitty Wells), die sehr reduzierte und herrlich derangierte Version von A Pair Of Brown Eyes (The Pogues) ist nahe an acappella und bekommt dadurch eine große Intimität und Unmittelbarkeit.
Ganz am Ende von Covers findet sich mit I’ll Be Seeing You von Billie Holiday ein Lied, bei dem Chan Marshall ausnahmsweise erklärt, warum sie es ausgesucht hat. Sie nimmt damit Abschied vom vor drei Jahren verstorbenen Phillippe Zdar, mit dem sie 20213 am Album Sun gearbeitet hatte. “Wenn dir Menschen genommen werden, die du liebst, gibt es immer einen Song, der dich an sie erinnert”, sagt sie. Passend dazu klingt Cat Power hier nicht nur besonders entrückt, sondern singt auch in einer tieferen Stimmlage, die dem Stück eine zusätzliche Ernsthaftigkeit gibt. “Das Lied ist ein Gespräch mit denen auf der anderen Seite, und es ist wirklich wichtig für mich, die Menschen auf diese Weise zu erreichen.” Der Reisepass funktioniert also womöglich sogar im Jenseits.