Get Out Review Kritik

Get Out

Film Get Out

Get Out Review Kritik
Schwarz-weißes Paar: Für Chris (Daniel Kaluuya) und Rose (Allison Williams) ist das kein Problem.
Produktionsland USA
Jahr 2017
Spielzeit 104 Minuten
Regie Jordan Peele
Hauptdarsteller*innen Daniel Kaluuya, Allison Williams, Catherine Keener, Bradley Whitford
Bewertung

Worum geht’s?

Chris ist gerade dabei, sich einen Namen als Fotograf in New York zu machen, hat eine schicke Wohnung, gute Freunde und seit knapp einem halben Jahr eine harmonische Beziehung mit seiner Freundin Rose. Vor dem anstehenden Wochenendausflug mit seiner Liebsten ist ihm trotzdem mulmig: Er wird zum ersten Mal die Eltern von Rose treffen. Erst auf der Autofahrt dorthin erfährt Chris von Rose, dass die Eltern bisher nicht wissen, dass ihre weiße Tochter mit einem Schwarzen zusammen ist. Während Rose dadurch keinerlei Schwierigkeiten angesichts ihrer sehr liberalen Familie erwartet („Wissen deine Eltern, dass ich schwarz bin?“, fragt er vom Beifahrersitz aus, „Sollten sie?“, erwidert sie am Steuer), ist Chris durchaus skeptisch. Das bestätigt sich schnell: Die Begrüßung ist sehr herzlich, doch nach und nach trifft Chris auf allerlei Arten von Alltagsrassismus. Roses Bruder beleidigt ihn, bei einem Gartenfest wird er mit unangemessenen Bemerkungen überhäuft, auch die (natürlich schwarzen) Hausangestellten, die das stattliche Anwesen der Familie pflegen, erweisen sich als in höchstem Maße seltsam. Seinem Impuls, dieses Haus schnellstmöglich zu verlassen, folgt er nicht, weil Rose ihm gut zuredet. Die Begegnungen mit ihrem Vater, einem Neurologen, und ihrer Mutter, einer auf Hypnose spezialisierten Psychologin, werden dennoch immer bedrohlicher.

Das sagt shitesite:

Ganz am Anfang und ganz am Ende hat Get Out viele klassische Horror-Elemente. Der Film beginnt mit warnenden Vorzeichen schon auf der Anreise, als Chris bei einer Polizeikontrolle mit Racial Profiling konfrontiert wird, und als ein Freund ihm von willkürlicher Gewalt gegen junge schwarze Männer in den Vorstädten berichtet, von der er aus den Fernsehnachrichten erfahren hat. Er endet mit einer Gewaltorgie und reichlich Blutvergießen.

Was sich dazwischen abspielt im Regiedebüt von Jordan Peele, der zuvor vor allem als Teil eines Sketch-Duos bekannt war, ist von üblichen Horrorfilmen allerdings meilenweit entfernt. Get Out ist viel intelligenter und politischer als die Standard-Ware in diesem Genre, dabei auch noch äußerst humorvoll und natürlich wirklich gruselig.

Mit präzisen Beobachtungen, die in toll verdichtete und dabei trotzdem plausible Szenen einfließen, zeichnet Peele (der für dieses Werk 2018 den Oscar für das beste Drehbuch erhalten hat) die alltägliche Diskriminierung und Stigmatisierung nach, die Schwarze erleben. Er zeigt, wie übergriffig das vermeintlich Wohlmeinende der woken, weißen, wohlhabenden Eltern ist (die stellvertretend für eine ganze Bubble stehen). Er zeigt, wie viel Kraft es kostet, all das zu ertragen, drüber zu stehen, nicht verletzt zu wirken, nicht zu verzweifeln und nicht auszurasten. Er zeigt schließlich auch, wie real die Angst insbesondere junger schwarzer Männer ist, wenn sie sich in der Mehrheitsgesellschaft bewegen. Sein Protagonist kann sich nirgends sicher fühlen vor skeptischen Blicken, uralten Klischees und auch nicht ganz konkret im Hinblick auf die eigene Unversehrtheit. Das gilt für Chris, aber letztlich für alle Schwarzen.

Großen Anteil am Gelingen des Films haben die Schauspieler*innen, an erster Stelle Hauptdarsteller Daniel Kaluuya. Man leidet mit ihm mit, wenn er sich am ersten Abend des Ausflugs nach dem Gespräch mit Rose fragt: Werde ich vielleicht gar nicht bedroht? Bin ich vielleicht gar paranoid, womöglich selbst rassistisch all diesen aufgeschlossenen weißen Menschen gegenüber? Danach gelingt es ihm wunderbar, die Wandlung von Unsicherheit zu Unwohlsein, von Befremden zu Beklemmung, dann von Angst zu purem Grauen fast alleine mit seiner Mimik auf die Leinwand zu bringen.

Die vielleicht größte Stärke von Get Out ist, wie mühelos dabei der Transfer in die Welt der Nicht-Betroffenen gelingt. Das unangenehme Gefühl, sich beim ersten Kennenlernen mit den Schwiegereltern in spe beweisen zu müssen und von Menschen getestet zu werden, die einem eigentlich mit einem Vertrauensvorschuss begegnen sollten, ist sicher vielen Menschen im Publikum vertraut. Ausgehend davon setzt Peele auf die ebenso bekannte Horror-Methode der Ahnung, dass hinter jeder Ecke eine grausame Gefahr lauern könnte. Basierend auf diesen beiden Ansätzen wird der Film auch für ein weißes Publikum absolut plausibel und bietet vielfältige Möglichkeiten für Identifikation, Empathie und nicht zuletzt die Reflexion von Privilegien und Vorurteilen.

Bestes Zitat:

„Black is in fashion.“

Der Trailer zum Film.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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