The Hives Forever, Forever The Hives

The Hives – „The Hives Forever, Forever The Hives“

Künstler*in The Hives

The Hives Forever, Forever The Hives Review Kritik
In die Selbstüberhöhung der Hives mischt sich diesmal auch Dankbarkeit.
Album The Hives Forever, Forever The Hives
Label Pias
Erscheinungsjahr 2025
Bewertung Foto oben: Pias / Dean Bradshaw

“Irgendwann wirst du alt, und dann bringst du es nicht mehr.“

Dieses Zitat aus Trainspotting (aus dem Mund von Sick Boy) trifft in vielen Lebensbereichen zu, von Thomas Gottschalk bis Thomas Müller, von Gerald Butler bis Gerhard Schröder.

Dass man den Spruch irgendwann auch einmal auf The Hives anwenden würde, war nicht ganz unwahrscheinlich. Als sie 1997 ihr Debüt veröffentlichten, strotze ihre Musik vor jugendlichem Eifer und Ungestüm. Die ersten Konzerte waren getrieben von Energie genauso wie von der adoleszenten Lust auf Provokation. Als sie mit dem Nachfolger Veni Vidi Vicious die Rockmusik retteten, stellte sich für manche vielleicht schon die Frage: Was kommt danach? Was macht diesen Band eigentlich, wenn der Rock gerettet ist? Wie will sie sich weiterentwickeln?

Lange Zeit fanden die fünf Schweden umwerfende Antworten auf solche Fragen, aber spätestens die mehr als zehnjährige Pause nach Lex Hives (2012) und die Tatsache, dass die Konzerte der jüngeren Vergangenheit im Prinzip genauso abliefen wie vor 20 Jahren und größtenteils auch mit denselben Songs wie vor 10 Jahren (The Hives als Nostalgie-Jukebox sind keine schöne Vorstellung, für niemanden), näherte dann doch den Verdacht, dass die Luft raus sein könnte bei Howlin’ Pelle Almqvist (Gesang), Nicholaus Arson (Gitarre), Vigilante Carlström (Gitarre), The Johan and Only (Bass), und Chris Dangerous (Schlagzeug).

Als vor zwei Jahren The Death of Randy Fitzsimmons erschien, war das deshalb eine Erlösung. Erstens war die Platte famos, zweitens gab es nun auch endlich wieder neues Material, um die Live-Setlist zu erneuern. Nun kommt nur zwei Jahre später schon wieder ein Album, und man kann verkünden: The Hives Forever, Forever The Hives wischt alle Zweifel beiseite. “The greatest rock band to ever grace the earth with its mere existence” (natürlich eine Selbstbeschreibung) hat nichts von ihrer Kraft und Einmaligkeit verloren, auch nichts von ihrem Biss und ihrem Einfallsreichtum.

Das siebte Album in der Geschichte der 1993 gegründeten Band zeigt auch ziemlich eindeutig, wie The Hives das schaffen. Howlin‘ Pelle Almqvist ist zwar 47 Jahre alt, nimmt an Gameshows im schwedischen Fernsehen teil und besitzt ein geschätztes Vermögen von anderthalb Millionen Dollar (The Hives haben eine eigene Firma gegründet, die im vergangenen Jahr knapp eine Million Euro Umsatz und knapp 300.000 Euro Gewinn nach Steuern gemacht hat). Trotzdem ist er weiterhin ein Mann, der sich als Außenseiter sieht, mit dem Lauf der Welt nicht einverstanden ist und sich großartig darüber aufregen kann, warum so vieles, was all die anderen Menschen machen und mögen, so kolossal scheiße ist.

Songtitel wie Born A Rebel oder Path Of Most Resistance könnten peinlich sein aus dem Mund eines Mannes mit einer privilegierten, dann ja doch auch irgendwie bürgerlichen Existenz. Aber die Band schafft es, diese Attitüde komplett arschcool und überzeugend rüberzubringen. Letzteres setzt dazu auf einen Shuffle-Beat und fast so etwas wie Eleganz, Ersteres zelebriert die Verweigerung, was nicht in einem Gefühl des Ausgestoßenseins mündet, sondern in einem der Überlegenheit. Auch der Auftakt Enough Is Enough unterstreicht das, etwa mit den Zeilen “Went to the doctor / turns out I’m sick / sick of everybody’s bullshit.” Zugleich macht der erste Track direkt klar, dass diese Platte den Trademark-Sound der Schweden bieten wird (trockene Drums, gerne mit Tamburin angereichert, giftige Gitarren, rotzige Stimme), dabei aber auch die nötige Frische und sogar einige Überraschungen (wie den Call and Response in der Middle Eight).

”Wir wollten ein Hives-Stadion-Album machen. Das hatten wir bisher nie versucht. Aber mit den Rolling Stones und AC/DC auf Tour zu sein, hat uns gezeigt, dass dieser Blockbuster-Rock überlebensgroß sein kann. Das wollten wir auch mal ausprobieren. Natürlich klingen wir dabei immer noch wie The Hives”, teilt die Band mit. „Ich denke, wir haben dieses Ziel erreicht und sind jetzt so gut wie nie. Wer sonst kann das nach mehr als 30 Jahren von sich behaupten? Richtig: niemand!“

Hooray Hooray Hooray ist ein passender Beweis dafür. Wie viele weitere Songs auf The Hives Forever, Forever The Hives gibt es hier einen erstaunlich großen Punk-Einfluss, viel Tempo, ordentlich Wut und sogar ein bisschen Klassenbewusstsein und Stänkern gegen Nepo-Kids. O.C.D.O.D. ist halsbrecherisch und führt in Erinnerung, wie mühelos Howlin’ Pelle Almqvist weiter wie ein komplett durchgeknallter Irrer klingen kann (nicht nur in seinen Ansagen auf der Bühne). Das meisterhafte Roll Out The Red Carpet hat Unmengen an Energie, Klasse und Witz. Die letzten Verse des Songs sind vollkommen korrekt: “Do you like rock music? / You do now.”

Aufgenommen hat die Band erneut mit Pelle Gunnerfeldt in Stockholm. “Er war auf fast allen Hives-Alben in irgendeiner Weise beteiligt und ist Teil unseres Sounds”, sagt Howlin’ Pelle Almqvist über den Produzenten. „Er beherrscht die sterbende Kunst, eine Band gut aufzunehmen, wenn alle gleichzeitig spielen.“ Ein paar kleinere Beiträge hat auch Mike D geliefert. „Für uns gibt es nichts Cooleres als einen Beastie Boy. (…) Wir hatten nur zwei gemeinsame Tage mit ihm und kannten ihn kaum. Alle waren ganz schön nervös”, erzählt der Sänger über die Zusammenarbeit.

Sucht man nach den Spuren des Beastie Boys, kommt am ehesten Legalize Living in den Sinn, das den Fokus auf Groove legt und sich auch ein paar Soundspielereien gönnt. Auch der Schlusspunkt The Hives Forever Forever The Hives ist erstaunlich elektronisch für ein Lied mit einem so prominenten Platz in der Tracklist und einem so programmatischen Titel. Auch hier gibt es eine plakative Fuck-Off-Einstellung (“I don’t know what I did / but I would do it all again in a heartbeat”), dazu eine schöne Gitarrenmelodie (in der Nähe von Don’t Look Back Into The Sun) und natürlich ganz viel Überzeugung. Das rasante They Can’t Hear The Music verbreitet eine ähnliche Botschaft: Da ist noch immer ganz viel Leidenschaft für das, was sie tun, da ist mittlerweile aber auch so etwas wie Dankbarkeit dafür, dass sie das noch immer tun dürfen, und zwar zusammen. „Normalerweise machen wir ein Album, gehen für drei Jahre auf Tour, vergessen dann ein Jahr lang, wer wir überhaupt sind, und machen dann wieder ein Album“, sagt der Frontmann. “Diesmal haben wir so schnell wie noch nie eine neue Platte nachgelegt. Es war großartig, direkt von der Tour wieder ins Studio zu gehen und dann wieder auf Tour. Staying in the zone as a band.

Mit Bad Call gibt es sogar noch ein bisschen inspirierte Unvernunft (es geht darum, wie leicht es ist, Fehler zu machen, und wie schwer es ist, daraus zu lernen), auch das fantastische Paint A Picture übt sich vielleicht nicht gleich in einer Revolte, unterstreicht aber, wie wertvoll es ist, nicht einverstanden zu sein und all das zu hinterfragen, was einem als Normalität oder gar als Norm verkauft werden soll. Der Song zeigt mit seinem ungewöhnlichen Takt, der kreativen Gitarrenarbeit und nicht zuletzt der Melodie im Refrain mit Harmoniegsang (!) auch, zu wie viel Musikalität The Hives in der Lage sind, auch wenn sie so gerne auf Angeberei und Garagen-Rock-Riffs reduziert werden.

Das Schlusswort darf natürlich Monsieur Pelle haben, weil niemand seine Band so schön überhöhen kann wie er selbst, und weil er sich dabei passenderweise auch noch indirekt auf das eingangs erwähnte Trainspotting-Zitat bezieht: “Diese Band ist das, was ich mein ganzes Leben lang gemacht habe. Auf gewisse Weise sind wir eine Familie, sind wir Freunde, sind wir Arbeitskollegen. Es ist verdammt cool, dass wir so lange bestehen, und wir wollen das immer noch weiter machen. Wir haben nie besser geklungen. Das ist einfach mein Ding. Wir machen weiter, bis wir nicht mehr können. Das ist unsere klassische Musik, unsere Rockmusik, weißt du? Für immer.”

Um beim Video zu Enough Is Enough im Bild zu bleiben: The Hives sind undefeated, mit ausschließlich Knock-outs.

Website von The Hives.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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