Kat Frankie – „Bad Behaviour“

Künstler Kat Frankie

Bad Behaviour Kat Frankie Kritik Rezension
Nach sechs Jahren ist Kat Frankie mit „Bad Behaviour“ zurück.
Album Bad Behaviour
Label Grönland
Erscheinungsjahr 2018
Bewertung

Ist das James Blake? Es wäre ein beträchtlicher Coup für Kat Frankie, für ihr viertes Album den Grammy-dekorierten Engländer als Gast gewonnen zu haben, und in der Tat klingt Back To Life, der vorletzte Track auf Bad Behaviour, als habe kein anderer als er da vor dem Mikrofon gestanden.

Dann wundert man sich allerdings: Der Song ist ein bisschen zu interessant, um vom Meister des elektronischen Minimalismus zu stammen. James Blake ist nicht in den Credits aufgeführt. Mehr noch: Dort taucht überhaupt nirgends ein Gast-Sänger auf. „Written, performed and produced by Kat Frankie“, kann man stattdessen im Booklet von Bad Behaviour lesen. Das ist auch des Rätsels Lösung: Die Australierin, die seit 2004 in Berlin lebt, hat ihre eigene Stimme mittels Effektgerät tiefer gelegt. „Ich mochte das Timbre“, lautet die lapidare Erklärung.

Dieser Moment der Verwirrung verweist auf viele Elemente, die Bad Behaviour prägen: Kat Frankie lebt hier ihren Willen zur unbedingten Eigenständigkeit aus, mit sehr komplexen und originellen Songs und weit entfernt von der Antifolk-Szene, der sie zu Zeiten des 2007er Debütalbums Pocketknife noch zugeordnet wurde. „Das passte eigentlich gar nicht zu mir. Antifolk hatte ja immer so etwas Putziges und Oberflächliches – ich wollte dagegen immer wahrhaftig sein und Songs mit großen Gefühlen schreiben“, sagt sie rückblickend. Heute sieht sie sich eher in der Nähe von PJ Harvey oder Tom Waits, und ihr viertes Album bestätigt das.

Der Titelsong Bad Behaviour eröffnet die Platte. Der Beat, zugleich funky und zurückgenommen, zudem sehr clever mit leicht versetzten Handclaps agierend, würde zu Boy passen, der Sound ist insgesamt sehr zurückgenommen für einen Opener und gibt damit den Ton für die folgenden neun Tracks vor: Es geht um Atmosphäre, Sound und Stimmung statt um Riffs, Slogans und Hooks.

Swallow You Whole hat ein sehr originelles Arrangement, manchmal nahe an acappella, manchmal opulent. Auch Versailles zeigt, wie weit weg Kat Frankie sich von Pop-Konventionen befindet; allenfalls von Peter Gabriel oder Kate Bush würde man ein so abstraktes, intensives, verschwörerisches Lied erwarten. Das ist durchaus überraschend nach einer längeren Pause (der Vorgänger Please Don’t Give Me What I Want erschien 2012), die sie beispielsweise als Kollaborateurin von Olli Schulz, Get Well Soon und Clueso verbracht hat.

Teil der neuen Autonomie ist offensichtlich auch ein erweitertes stilistisches Spektrum, wie beispielsweise Headed For The Reaper zeigt: Da sind plötzlich ein paar Eighties-Synthies, schräge Blasinstrumente, eine Call-and-Response-Passage und eine erstaunliche Ausgelassenheit im Gesang zu hören. Die Gitarre veranstaltet im Hintergrund von Home (und später auch im Vordergrund) etwas, das auch auf eine Metal-Platte passen würde, dazu passt die große Entschlossenheit der Stimme von Kat Frankie in diesem Song.

Das wichtigste Werkzeug zum Erreichen dieser Vielfalt ist die Loop Station, mit der Kat Frankie nicht nur deshalb so gerne arbeitet, weil sie schon in jungen Jahren in Sydney oft mit Kassettenrekordern experimentiert und aufgenommen hat. „Das ist so ein einfaches Instrument, aber man kann so viel damit machen! Ich fühlte mich einerseits in meine Kindheit zurückversetzt. Andererseits erschloss ich mir mit dem Harmoniegesang, den ich mit mir selbst singen konnte, ganz neue Stile.“

In der Tat bleibt bei allen Experimenten ihre eindrucksvolle Stimme der Kern dieser Platte, etwa im wunderschönen, eleganten und behutsamen Finite, dem besten Lied des Albums. Mit dem Text von Forgiveness scheint Kat Frankie den Titel als „die australische Lana Del Rey“ anzustreben, auch die Musik würde mit etwas mehr Bombast zu diesem Vergleich passen: Die Grundstimmung ist romantisch und nostalgisch, zwischen Reue und Stolz. The Sun wirkt so weise, organisch und ungewöhnlich wie ein Volkslied aus einer anderen Gegend der Welt. „Ich wollte nicht mehr melancholisch sein, nicht im Geringsten: Diese neue Platte ist für mich wie eine Platte der Freude“, betont die Sängerin, und Lieder wie dieses unterstreichen diesen Ansatz. Ein Highlight ist auch der Schlusspunkt Spill, der wie En Vogue in ungeschminkt klingt und zugleich sehr sinnlich wird. Es ist eindeutig keine Lüge, wenn Kat Frankie sagt, sie habe „noch nie ein Album gemacht, das so voller Sex war wie dieses“.

Unterm Strich steht ein sehr souveränes, eigenständiges und gefühlvolles Album. Und das ist als Coup mindestens so beachtlich, wie es ein Gastauftritt von James Blake wäre.

Im Video zu Finite wird Kat Frankie eingeschneit.

Im Frühjahr gibt es Konzerte von Kat Frankie.

04.03.2018 Dresden – Scheune
05.03.2018 Frankfurt – Brotfabrik
06.03.2018 Stuttgart – club CANN
11.03.2018 München – Ampere
13.03.2018 Würzburg – Café Cairo
14.03.2018 Leipzig – UT Connewitz
15.03.2018 Göttingen – Musa
16.03.2018 Erfurt – Franz Mehlhose
17.03.2018 Münster – Gleis 22
20.03.2018 Köln – Kulturkirche
21.03.2018 Hannover – Pavillon
22.03.2018 Hamburg – Mojo Club
23.03.2018 Bremen – Lagerhaus
24.03.2018 Rostock – Helga‘s Stadtpalast
27.03.2018 Berlin – Volksbühne
28.03.2018 Berlin – Volksbühne
17.04.2018 Erfurt – Halle 6

Website von Kat Frankie.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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