Fruit Bats – „Gold Past Life“

Künstler Fruit Bats

Gold Past Life Fruit Bats Review Kritik
Als Abschluss einer unfreiwilligen Trilogie kann man „Gold Past Life“ betrachten.
Album Gold Past Life
Label Merge Records
Erscheinungsjahr 2019
Bewertung

„Fruit Bats has been a cult band for a long time”, sagt Eric D. Johnson über sein eigenes Projekt. Im Fall von Gold Past Life hätte er offensichtlich nichts dagegen, wenn aus diesem Kult nun eine Massenbewegung wird. Denn das auffälligste Merkmal der heute erscheinenden Platte ist, wie offen sie für die Idee ist, den Hörer zu bezirzen und voll und ganz für sich einzunehmen. Schon der Auftaktsong The Bottom Of It zeigt das sehr auffällig: Der Beginn ist reduziert, aber sehr einladend. Diese Atmosphäre bleibt dann über die folgenden Lieder hinweg erhalten: entspannt, dabei stets zugänglich, oft sogar verlockend. Besonders anziehend sind in diesem Song das federnde Schlagzeug und das Gitarrensolo à la George Harrison, aber in der Trickkiste von Fruit Bats steckt noch viel mehr, wie Gold Past Life im weiteren Verlauf zeigt.

Johnson betrachtet das siebte Fruit-Bats-Album als Abschluss einer unbeabsichtigten Trilogie, die thematisch verbunden ist und aus dem 2014er Soloalbum EDJ, dem zwei Jahre später folgenden Absolute Loser und eben dieser Platte besteht. Die gemeinsamen Themen darauf sind Verlust, Entwurzelung und das Unwohlsein angesichts der Lage der Welt. „Ich habe Musik geschrieben, um mich selbst zu pflegen. Sie war für mich wie ein Heilbalsam“, sagt er. Dass er dabei im Imperfekt spricht, ist durchaus bedeutend. Denn zugleich strotzt Gold Past Life, das erneut von Thom Monahan (Neko Case, Devendra Banhart, Peter Björn & John) produziert wurde, vor dem Entschluss, die Dinge in die Hand zu nehmen und Chancen zu ergreifen.

Am deutlichsten wird diese Mentalität bei seinem Umgang mit Nostalgie. Sie ist auch diesmal ein wichtiges Element bei Fruit Bats. Gleich sechsmal kommt auf Gold Past Life das Verb „remember“ vor, auch der Albumtitel passt zu diesem Schwerpunkt. Mit mehrstimmigem Gesang, der vermuten lässt, dass in Eric D. Johnson auch ein kleiner Brian Wilson steckt, erinnert er im Titelsong rund um die Zeilen „You know you’re never gonna feel as right / than in your gold past life“ daran, dass es nicht sehr hilfreich ist, in einer vermeintlich seligen Vergangenheit festzuhängen, wenn man die Gegenwart genießen oder die Zukunft gestalten möchte. Diese Ermahnung klingt erfreulicherweise kein bisschen nach erhobenem Zeigefinger, sondern eher nach einer Streicheleinheit.

Drawn Away verweigert sich der Versuchung, aus dem Hier und Jetzt zu entfliehen, mit viel Schwung, nicht nur im Schlagzeug, sondern auch in der Rhythmusgitarre. Man kann diesen äußerst gut gelaunten Song als so etwas wie den Hit des Albums betrachten, ein Rest von Gemütlichkeit bleibt freilich auch hier erhalten. Auch Your Dead Grandfather wird (erst recht angesichts des Titels) erstaunlich heiter und setzt neben einigen Country-Elementen sogar Handclaps ein.

Mandy From Mohawk (Wherever You May Be) ist im Sound ähnlich und erweist sich ebenfalls als Vertonung einer Erinnerung, aus der ersichtlich wird, wie wohlwollend, warm und großherzig Johnson hier agiert. „I hope that you found yourself love / everyone should try and find someone / to put their arms around looking out the window / watching the wind“, singt er. Ähnlich viel Patina liegt auf Two Babies In Michigan, das zu Beginn zwar ein paar Synthiesounds integriert, aber davon auch nicht moderner im Klang wird als der Rest von Gold Past Life., der sich weitgehend innerhalb von sehr klassischen Folk-Rock-Koordinaten bewegt.

Auch in Cazadera kann man diesen Willen zu Harmonie, Gemeinschaft und Dankbarkeit gut erkennen. „I rise above / ‘cause I’m so loved / by you“, lautet eine der Zeilen, gerichtet an die Liebste, die Orientierung verschafft, wenn er verwirrt ist, und Halt gibt, wenn er davon zu driften droht. Entsprechend klingt Ocean, nur mit Gitarre und Gesang instrumentiert, später noch mit einer Rassel und dann noch einem verwehten Klavier, wie ein Idyll. A Lingering Love führt zur Erkenntnis, dass sich Verbundenheit bei Fruit Bats nicht nur in Bezug auf Menschen äußern kann, sondern auch auf Orte, Erinnerungen und Stimmungen. Barely Living Room bietet gleich im Titel ein tolles Wortspiel und wird zur Erzählung über einen Traum (oder mehrere).

Auch das ist ein wichtiges Motiv auf Gold Past Life. „Ein paar dieser Lieder richten sich an konkrete Menschen, ein paar an Figuren, in denen ich mehrere Leute zusammengefasst habe, und viele an mich selbst oder an die unterbewusste Version von mir“, sagt Johnson. „Angeblich stecken in dieser unterbewussten Version ja alle Charaktere, die in den eigenen Träumen auftauchen. Auch das Artwork soll darauf verweisen, dass wir letztlich alle bloß die Figuren aus unseren Träumen sind: Ich bin da ein Reh an einem Strand, schau dir genau in die Augen und lecke mir die Lippen.“

Dream Would Be trägt den Verweis auf die Traumwelt gleich im Titel und wird ein weiterer Höhepunkt der Platte. „I just want to tell you that I love you / unconditionally“, lautet die erste Zeile, und man könnte dieses Lied verträumt nennen, weil so viel Sehnsucht darin steckt, aber für dieses Attribut ist es viel zu reflektiert. Natürlich findet Eric D. Johnson selbst wieder die am besten passenden Worte für diesen wundersamen Effekt: „Fruit Bats machen existenzialistische Musik zum Rumknutschen. Sie lädt aber auch jeden ein, etwas tiefer darin einzutauchen. Gute Popmusik sollte immer so erhaben sein.“

Mit einer Mini-Doku stimmte Johnson auf das neue Album ein.

Homepage von Fruit Bats.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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