Eine neue Single von Philipp Poisel ist keine kleine Nachricht in der deutschen Musikwelt, zumal wenn es sich dabei um den ersten Vorgeschmack auf das gerade entstehende vierte Studioalbum des Ludwigsburgers handelt. Sein Debüt 2008 erreichte Gold-Status, Bis nach Toulouse (2010) schaffte sogar Platin, ebenso die Live-Platte Projekt Seerosenteich. Ein bisschen kann man darüber noch immer staunen, ist seine Musik doch weit entfernt von den plakativen Elementen, die sonst meist nötig sind, um den Massengeschmack zu treffen, und stattdessen geprägt von einer vergleichsweise dezenten Herangehensweise. Die bleibt auch im vorgestern erschienenen Alles an dir glänzt (***) erkennbar, allerdings bewegt sich der gerade 37 Jahre alt gewordene Sänger hier ein kleines bisschen mehr als üblich in Richtung Radiopop. Der Text ist eine Liebeserklärung voller Hingerissenheit, die wohl nicht mehr der Phase des aufregenden Kennenlernens entstammt, sondern über vielleicht viele Jahre erhalten blieb und gewachsen ist. Es geht um einen dieser Momente, wenn man diese besondere Person anblickt und wieder einmal erkennt, wie wundervoll dieser Mensch ist. Das Video feiert das mit viel Tanz, Spaß an Kostümen und Philipp Poisel in einem Make-Up irgendwo zwischen Kiss und dem Joker. Details zu einem neuen Album gibt es noch nicht.
Die Nachnamen zu Carsten & Carsten lauten Meyer (von Erobique) und Friedrichs (von Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen) und neben der Heimatstadt Hamburg, dem Vornamen und einer Vorliebe für Comics (die auch im Video deutlich wird, in dem die beiden Carstens als Cartoon-Entsprechungen durch allerlei Stock Footage spazieren), Northern Soul (die auch im Sound mit Chor, Handclaps, Vibraphon und Saxofon überdeutlich erkennbar ist) und dem gleichen Kleidungsstil haben die beiden noch mindestens eine weitere Gemeinsamkeit: eine allgemeine Zuneigung zu Menschen. Ich mag Leute (***1/2) heißt ihre gemeinsame Single. Rund um die Zeilen „Ich mag Leute / sie sind gut zu mir / Ich mag Leute / ohne wäre ich nicht hier“ wird daraus nicht nur ein Anti-Misanthropie-Song, sondern auch ein Hohelied auf die Arbeitsteilung, schließlich sorgen die anderen Leute in ihrer Rolle als Koch, Fußballprofi oder Friseur eben auch dafür, dass man durchs Leben kommt, ohne sich um alles selbst kümmern zu müssen.
Auch in seinem Hauptberuf ist Carsten Friedrichs fleißig, denn Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen hat mit Ferien für immer (*****) einen noch größeren Kracher am Start. „Eine 747 fliegt in den Süden / ich schau hinterher / und ich wünsch mir so sehr / nur einen Hit / und ich flöge mit / Ferien für immer, für immer frei!“, lautet das Szenario, das mit einem so unwiderstehlichen Discobeat, großartigem Refrain, Bläser-Schmackes und auch noch Pfeifen angereichert ist, dass es bitte bitte bitte spätestens jetzt mit dem großen Erfolg dieser wundervollen Band losgehen kann (unter der Bedingung, dass sie die Sache mit “Ferien für immer” dann vielleicht doch gelegentlich zum Zwecke neuer Musik unterbrechen). Das Video von Martin Morris ist natürlich ebenso schick.
Noch ein bisschen weiter nördlich, nämlich in Göteborg, ist Jenny Apelmo zuhause, mittlerweile lebt sie in Berlin (ihre Plattenfirma Grand Hotel van Cleef sitzt allerdings auch im von DLDGG als „die Stadt des ewigen Novembers“ gepriesenen Hamburg). Ihr Soloprojekt nennt sie Jenobi, darauf ist sie etwas rockiger unterwegs als bei ihren eher vom Folk geprägten früheren Werken. Die erste Single Hundred Times (****) zeigt, wie reizvoll diese Veränderung sein kann: Wenn Feist den Afrobeat für sich entdecken, Kat Frankie etwas weniger affektiert daher kommen oder K-Flay sich ein wenig in Richtung Unplugged bewegen würde, könnte so ein Song entstehen. Auch die Nähe zu Lykke Li oder Anna Calvi, die bei Jenobi als wichtige Einflüsse genannt werden, ist schnell erkennbar – natürlich nur als Hintergrund für eine durchaus ausgeprägte Eigenständigkeit. Der Text handelt davon, wie schwierig es ist, sich zur Zuversicht aufzuraffen oder sie zumindest vorzugaukeln („It’s never easy to pretend / that you’re fine / when it feels like the world’s gonna end“) und bestehende Muster aufzubrechen. Passend dazu wird das am 18. September erscheinende Jenobi-Album Patterns heißen.
Wenn man die Karriere von The Cribs verfolgt hat, wäre einem niemals in den Sinn gekommen, das Ende dieser Band könnte eines Tages durch interne Streitereien kommen. Immer wirkten die Brüder Gary, Ryan und Ross Jarman aus Wakefield wie eine Gang, die allenfalls durch eine Naturkatastrophe, einen Party-Unfall oder ultimative Erschöpfung durch zu viel Rock’N’Roll-Engagement zu stoppen wäre. Beinahe wäre es aber nach erheblichen internen Streitereien und Zoff mit dem Management kürzlich doch zum Split gekommen. „Es gab einen Moment, in dem wir so desillusioniert waren, dass es nicht mehr sicher war, ob wir überhaupt noch eine Band sein wollten“, sagt Ryan Jarman über diese Phase. Dass es im November mit Night Network nun doch ein achtes Album der Band geben wird, ist unter anderem Dave Grohl zu verdanken. Er lud The Cribs in sein Studio nach Los Angeles ein, und das war eine Gelegenheit, für die man sich schnell wieder zusammenraufte. Die Single Running Into You (****) unterstreicht, wie froh wir darum sein sollten, denn Energie und Ursprünglichkeit treffen hier auf Melodie- und Harmonieseligkeit und auch eine kleine Prise an Experimentierfreude. Das Video greift den Albumtitel auf und lässt einen fiktiven Fernsehsender als „Breaking News“ über die gerüchteweise Rückkeher der Band berichten. Als Anchorman ist Schauspieler Sam Riley zu sehen, mit dessen Band 10.000 Things waren die Cribs einst gemeinsam auf Tour. Bei so viel Lässigkeit und Selbstironie kann man wohl davon ausgehen, dass im Hause Jarman alles wieder gut ist.
Arlo Parks hat es zuletzt aufs Cover des (freilich nur noch digital erscheinenden) NME und mit der Single Eugene auch in die offizielle Playlist von Michelle Obama geschafft. Mit Hurt (***1/2) gibt es jetzt einen neuen Song der 19-jährigen Songwriterin, den sie Anfang des Jahres zusammen mit dem langjährigen Freund und Produzenten Luca Buccalleti in London aufgenommen hat. „Hurt kreist um die Möglichkeit des Heilens von Schmerzen und um die Erkenntnis, dass Leiden vorüber geht. Es soll Menschen helfen, die gerade durch schwere Zeiten gehen.“ Betont trist sind die Farben und bewusst verschwommen viele Einstellungen im Video, umso tröstlicher ist ihre Stimme über einem Sound, der zu Solange passen würde, aber auch sehr reizvolle Bezugspunkte zeigt, die bis zu den Sugabes und All Saints zurückreichen.