Kaizers Orchestra Evig Pint Reissue

Kaizers Orchestra – “Evig Pint”

Künstler*in Kaizers Orchestra

Kaizers Orchestra Evig Pint Review Kritik
Jeder Song auf “Evig Pint” klingt wie ein Abenteuerroman.
Album Evig Pint – Reiusse Vinyl Edition
Label Kaizers Orchestra
Erscheinungsjahr 2002
Bewertung

Kaizers Orchestra haben sich nach einer Figur aus einem Kinofilm benannt. Sie arbeiten gerade an einem Musical, das ihr erstes Werk in englischer Sprache sein wird. Und fragt man die sechs Norweger nach ihren wichtigsten Einflüssen, dann benennen sie zwar die gesamte britische und amerikanische Musikgeschichte sowie Tom Waits (der umgekehrt ein großer Fan von ihnen ist), aber sie benennen eben auch Quentin Tarantino und die Disney-Verfilmung von Schneewittchen und die sieben Zwerge aus dem Jahr 1937.

Janove Ottensen (Gesang, Gitarre, Percussions), Geir Zahl (Gitarren, Gesang, Backing Vocals, Ölfass), Terje Winterstø Røthing (Gitarren, Backing Vocals, Ölfass), Helge Risa (Orgel, Piano, Akkordeon, Backing Vocals), Rune Solheim (Schlagzeug, Percussion) und Øyvind Storesund (Kontrabass, Bassgitarre) haben also schon immer ein Faible für die visuellen Aspekte von Kunst, auch in ihrem eigenen Werk. Das betrifft Bühnenbilder, Plattenhüllen und Videoclips, es betrifft aber auch die Musik selbst. Ihre Lieder erzeugen Bilder im Kopf, auch auf Evig Pint, ihrem 2002 veröffentlichten zweiten Album. Diese Bilder sehen aus, als hätte Tim Burton beim Dreißigjährigen Krieg die Regie geführt, Salvador Dalí sei Hoteldirektor geworden oder Don Quichote hätte einen Zirkus gegründet.

Die Platte wird im Zuge der Wiedervereinigung der 2013 aufgelösten Band morgen neu auf Vinyl veröffentlicht. Nach einer viermonatigen Tour durch Norwegen, die bereits ausverkauft ist, soll es auch Konzerte in weiteren Ländern in Europa geben. “Wir freuen uns schon sehr darauf, wieder live zu spielen. Diese Songs haben lange genug im Winterschlaf gelegen. Jetzt ist es an der Zeit, sie wieder zum Leben zu erwecken, zusammen mit unserem Publikum. Wir haben sie vermisst”, sagt Gitarrist Geir Zahl. Auch von einigen neuen Tracks und möglicherweise gar einem weiteren Album mit komplett neuem Material ist die Rede.

Wie aufregend das werden könnte, bringt Evig Pint sofort in Erinnerung. Ein Song wie Container zeigt, wie viel Energie diese Band erzeugen kann, Hevnervals wird eine rasante Polka, in De involverte tanzt der Bass auf einem Fundament aus Orgel und Lärm. Djevelens Orkester kombiniert famose Balkan-Streicher und verschwörerischen Chorgesang, Til Depotet ist wieder so ein Song, der wie gemacht ist für einen Film oder eine Theaterszene. Das wilde Veterans Klage zeigt das Grundprinzip von Kaizers Orchestra vielleicht am besten: Sobald man einen Rhythmus erkannt hat, wird er gewechselt, sobald die Melodie klar zu sein scheint, wird sie abgebrochen, sobald man ein bestimmtes Instrument erwartet, erklingt mit Sicherheit ein anderes.

Auch, wenn es einmal etwas weniger abgefahren wird, begeistern diese Lieder wie Salt & Pepper mit einem (was man leicht überhören kann) sehr modernen Beat und einer sehr ursprünglichen Kraft, was man sich auch von den Black Keys vorstellen könnte. Drøm Hardt (Requiem Part I) zeigt als fast achteinhalb Minuten langer Abschluss von Evig Pint, wie gut diese sechs Musiker auch Balladen beherrschen, der untröstliche Gesang wird darin von dem herrlichen Geigensolo noch verstärkt. Der Titelsong ist einfach spektakuläre, bedrohliche, großspurige Rockmusik, auch wenn man in diesem Genre nicht unbedingt Akkordeon und Geige erwarten würde, Di Grind nutzt etwa ein Klimperklavier, Bläser, eine Kirmesorgel und eine Blues-Gitarre, um einen geradezu hysterischen Effekt zu erzeugen. Den heimlichen Höhepunkt liefern Kaizers Orchestra mit Min Kvite Russer: Es zeigt ihr Talent für Melodie und Atmosphäre und wäre in jeder Sprache und in jedem Zeitalter packend – wie ein vertonter Abenteuerroman.

Kaizers Orchestra blicken auf Evig Pint zurück.

Website von Kaizers Orchestra.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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