Durchgelesen: Mary-Louise Parker – “Die Männer meines Lebens”

Autor Mary-Louise Parker

Mary-Louise Parker Die Männer meines Lebens Kritik Rezension
32 Briefe versammelt Mary-Louise Parker in ihrem ersten Buch.
Titel Die Männer meines Lebens
Originaltitel Dear Mr. You
Verlag S. Fischer
Erscheinungsjahr 2015
Bewertung

„Ich liebe jeden Versuch, etwas zu beschreiben, doch vielleicht gefällt mir die Tatsache noch mehr, dass man immer zweideutiger werden kann, je mehr Wörter einem zur Verfügung stehen, um etwas zu bezeichnen.“ Dieser Satz steht im elften der 32 Briefe an die Männer ihres Lebens, die Mary-Louise Parker für ihr erstes Buch versammelt hat. Er erklärt vielleicht, warum die 1964 geborene Schauspielerin, die bekannt ist für die Hauptrolle in der Fernsehserie Weeds, vor einem Vierteljahrhundert im Kino in Grüne Tomaten zu sehen war und für ihre Leistungen vor der Kamera schon mit Golden Globe, Tony Award und Emmy geehrt wurde, sich nun auch dem Schreiben widmet: Es ist die pure Lust an der Sprache und am Erzählen.

Das Buch, vom Verlag als „Liebeserklärung an die Männer“ vermarktet und von der US-Kritik überschwänglich gelobt, versammelt 32 Briefe, die Mary-Louise Parker an bedeutende Männer in ihrem Leben adressiert (aber natürlich nie abgeschickt) hat. Zu den imaginären Empfängern gehören ihr Großvater, Vater und Sohn, aber auch Liebhaber, Mentoren und Vorbilder. Manche der Männer werden namentlich benannt, manche bleiben anonym, andere sind ein Prototyp für eine ganze Gattung.

Frau Parker schreibe so, „dass man begreift, warum beides [Briefe und Männer] mal erfunden wurde“, bemerkt Katrin Bauerfeind angesichts der nun vorliegenden deutschen Übersetzung, und man kann sich dieser Lobhudelei nur anschließen. Briefe an meine Männer ist witzig und ernst, sehr romantisch („Die Zeit sollte weinen, weil sie mich ohne dich verbracht hat.“) und äußerst lebensweise („In der überwiegend weißen Gemeinde, in der ich lebte, war alles mörderisch mittelmäßig. Es fiel schwer, sich dort zu verorten, wo alles eine moderate Version von etwas war, das sich nicht traute, zu hoch hinauszustreben oder unter das Mittelmaß zu fallen.“).

Mary-Louise Parker ist dem einen oder anderen Bekenntnis nicht abgeneigt, ohne dabei jemals schmutzige Wäsche zu waschen. Sie zeigt sich demütig und selbstbewusst, vor allem aber entpuppt sie sich als kluge Beobachterin und feinfühlige Erzählerin. Ebenso rührend wie wahrhaftig stellt sie hier immer wieder heraus, wie unsagbar leer unser Leben ohne Begegnung und Miteinander wäre.

Die größte Stärke des Buchs ist ebenfalls im eingangs erwähnten Zitat bereits erkennbar: Es gibt in Die Männer meines Lebens reichlich Schmerz, Sex und Trauer in durchaus expliziter Form. Aber eindrucksvoll sind diese Briefe auch durch das, was die Autorin auslässt und in einigen Fällen sogar ausdrücklich verschweigt. Das Ungesagte spielt eine sehr große Rolle: in den Begegnungen, in der Erinnerung daran und im Schreiben darüber.

Das mag unspektakulär klingen. Allerdings muss man sich vor Augen führen, wie groß für eine Autorin, die bisher als Schauspielerin bekannt war und nun den mutigen Schritt in die Literatur geht, die Versuchung gewesen sein muss, ihr Debüt in diesem Metier mit ein paar pikanten Details und der einen oder anderen Retourkutsche anzureichern, um Aufmerksamkeit zu erregen oder die vermeintliche Authentizität des Werks zu steigern. Dass Mary-Louise Parker dies nicht getan hat, zeigt vielleicht am deutlichsten, wie groß ihr Talent ist. Dass sie es nicht nötig hat, beweist Die Männer meines Lebens auf jeder Seite.

Bestes Zitat: „Wir lagen in schrecklich vieler Hinsicht unglaublich falsch, haben uns aber ganz gut geschlagen. Wir sehen noch immer zu, wie die Träume der anderen zerplatzen oder wahr werden. Und halten immer einen Stuhl frei.“

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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