Hingehört: Flake Music – “When You Land Here, It’s Time To Return”

Künstler Flake Music

Flake Music sind The Shins, bevor sie The Shins waren.
Flake Music sind The Shins, bevor sie The Shins waren.
Album When You Land Here, It’s Time To Return
Label Sub Pop
Erscheinungsjahr 1997
Bewertung

Fangen wir mal, wie sich das gehört, mit den Fakten an. Flake Music (die sich zeitweise auch Earwig und Orange Little Cousins nannten, dann Flake und dann nach rechtlichen Querelen Flake Music) waren ein Quartett aus Albuquerque. Sie waren ab 1992 aktiv, machten Indierock, veröffentlichten ein paar Singles und EPs und dann 1997 mit When You Land Here, It’s Time To Return ihr einziges Album. Wenig später lösten sie sich auf.

Das wäre alles reichlich unspektakulär, wenn Frontmann James Mercer nicht kurz darauf ein Nebenprojekt namens The Shins ins Leben gerufen hätte, dann auch seine ehemaligen Flake-Music-Mitstreiter Marty Crandall (Bass), Neal Langford (Gitarre) und Jesse Sandoval (Schlagzeug) dort an Bord geholt und eine ziemlich veritable Karriere hingelegt hätte. Allein wegen all der Shins-Fans, die gerne einen Eindruck von der früheren Inkarnation ihrer Lieblingsband haben wollten, war When You Land Here, It’s Time To Return zuletzt stets gefragt. Jetzt gibt es das Album als Re-Issue, neu abgemischt (von Kennie Takahashi, mit dem Mercer auch bei Broken Bells zusammengearbeitet hat), neu gemastert (von JJ Golden) und mit neuem Cover (von Keith Negley, der sein ursprüngliches Motov selbst überarbeitet hat).

Es wäre spannend zu erfahren, inwieweit diese, vor allem von James Mercer betriebene, Neuauflage ein Angebot der Versöhnung an seine ehemaligen Bandkollegen ist. Denn The Shins betrieb Mercer zwischenzeitig nur noch als One-Man-Show. Inzwischen gibt es zwar eine neue Besetzung, doch von den weiteren Ex-Flake-Music-Leuten ist keiner mehr dabei. Sie haben The Shins nach und nach verlassen – und während Mercer stets behauptet hat, dies sei einvernehmlich geschehen, hat unter anderem Crandall in einem Interview gesagt, er fühle sich „gefeuert“.

Zumindest in der offiziellen Begründung für die neue Version von When You Land Here, It’s Time To Return gibt sich Mercer kollegial. “I’m so happy about this record being remixed and sounding the way it does. Partly because it feels like what could have been looked at as a real waste of time, like all the effort we put into Flake, all those hours hanging out, it’s like we’re undoing some sort of injustice, you know? It’s like some strange kind of redemption for us all.” Und Kontinuitäten zu den Shins lassen sich ohnehin reichlich erkennen.

Der Auftakt Spanway Hits bietet viel Jangle, eine ausgereifte Komposition und Mercers Stimme, die wie später bei den Shins auch hier immer haarscharf die Grenze zur Überforderung umschifft. Structo muss sich nicht hinter den melodiös geprägten Aushängeschildern der Zeit verstecken, hat eine gute Dynamik, eine einnehmende Melodie, eine kleine Prise Americana und eine gute Dosis Melancholie. Das könnte man sich beispielsweise gut von Marcy Playground oder den Gin Blossoms vorstellen, mit etwas Fantasie passt es sogar ganz gut auf Mellon Collie von den Smashing Pumpkins – und der damals omnipräsente Einfluss von Pavement oder Built To Spill ist auf dem gesamten Album ohnehin unverkennbar (wie lange 1997 schon her ist, zeigen auch die Fotos im Booklet: Mercer ist im Twin Peaks-T-Shirt und drei der vier Bandmitglieder sind mit Shorts und strahlend weißen Socken zu sehen).

Warum When You Land Here, It’s Time To Return ein Rohrkrepierer wurde, die Shins dann aber (okay, mit Unterstützung der einen oder anderen Hollywood-Produktion) eine Weltkarriere hingelegt haben, ist schon nach diesen paar Stichproben nicht ganz so einleuchtend. “In the 90s with the Seattle grunge thing, Albuquerque really embraced that sound. It felt a little bit like heavy metal, and it was still kind of macho, and we were melodic and poppy and were just pushing too many weird buttons”, lautet die Erklärung von James Mercer. Dazu kam ein äußerst überschaubares Budget: Aufgenommen wurde die Platte innerhalb weniger Tage im Frühjahr 1997 im Haus von Crandalls Stiefvater in Clarkdale, Arizona.

Mit Roziere und Candy Dish Of Diamonds gibt es zwei Instrumental-Stücke, auch weitere Hinweise bestätigen, dass damals nicht Mercer, sondern Gitarrist Neal Langford die treibende Kraft bei Flake Music war. Faded Polaroids wird sogar (durchaus passabel) von Bassist Marty Crandall gesungen, der Song zeigt zudem am besten, was Mercer mit „weird buttons“ meint. Blast Valve hat viele instrumentale Passagen und ist geprägt vom energischen Schlagzeug; man hört diesem und anderen Liedern ihre Entstehungsweise im kollektiven Ausprobieren im Probekeller an. “We would literally go down to the basement and get stoned or drunk or just riff out. Somebody would be playing something that they thought was cool on the guitar and I’d try to sing over it. We were just constantly fucking around, and if we all came up with cool parts und we were all stoked on it, then it could be a Flake song”, erinnert sich Mercer an die Arbeitsweise.

Auch Deluca ist viel rockiger als das spätere Shins-Material, der Song verweigert sich zwar der Unmittelbarkeit, wird aber schwung- und kraftvoll, sogar Headbangen wäre in einigen Passagen möglich. Der – ebenfalls instrumentale – Rausschmeißer Vantage basiert auf einem sehr fantasievollen Bass-Riff, beginnt rasant, wird dann zurückgenommen, bevor sich wieder eine beachtliche Aggressivität einschleicht und dabei das Verstärker-Feedback als Trojanisches Pferd benutzt.

On The Playground, In The Wind ist beschaulich, der Gesang rückt ganz weit weg, die Gitarre klingt wie schlaftrunken, das Schlagzeug ist nicht vorhanden. Mit Mieke gibt es einen Song, den auch The Shins gelegentlich noch live gespielt haben. Und schließlich enthält When You Land Here, It’s Time To Return auch ein Lied namens The Shins – originell, eingängig und ausgefeilt. Problemlos kann man darin die Keimzelle erkennen, aus der dann Mercers neues, stärker an Songwriting und Studioproduktion, weniger an Spontaneität und Jam-Sessions orientiertes Projekt werden sollte. “There was something about the sentimentality of the song The Shins that I thought was aligned with what I was doing in my recording project at the time”, erklärt er rückblickend diese Verbindungslinie.

Unterm Strich ist When You Land Here, It’s Time To Return kein zu Unrecht vergessenes Meisterwerk, aber für Fans allemal spannend. Und für alle anderen ein interessantes Dokument, wie Indie-Rock 1997 klang.

Wie verwirrend: The Shins von Flake Music.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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