Interview mit Irie Révoltés

Irie Révoltés Highfield Festival live
Mal Élevé (links) und Carlito bei ihrer schweißtreibenden Highfield-Show. Foto: Highfield/Malte Schmidt

Aus Berlin sind Irie Révoltés zum Highfield-Festival angereist, mit einem Zwischenstopp im Leipziger Café Puschkin zum Frühstück. Es ist der zweite Auftritt der Heidelberger Band beim Highfield, auch diesmal gibt es auf der Bühne von ihnen viel Körpereinsatz, eine satte Dosis Ska- und Reggae-Energie und eine klare politische Botschaft gegen Rassismus, Homophobie und allerlei andere Übel. Ich treffe die beiden Sänger Carlito und Mal Élevé vor dem Konzert backstage zum Interview und will vor allem wissen: Ist ein Festival, bei dem die meisten Besucher einfach Party machen wollen, das richtige Umfeld, um sie zu besseren Menschen zu machen?

Nach eurer Show habt ihr nachher noch eine Autogrammstunde am Stand von Make Some Noise. Ist das vielleicht das bessere Forum, um eure Message rüberzubringen als ein Konzert? Immerhin kann da ein echter Gedankenaustausch zustande kommen. Und während der Show dürften die meisten Fans doch allenfalls ein paar Brocken von eurer Botschaft aufschnappen.

Carlito: Das sind zwei verschiedene Sachen, wie du schon sagst. Mit dem Konzert können wir viele Leute gleichzeitig erreichen, auch wenn wir sie vielleicht nur ankratzen. Bei der Autogrammstunde kann man sich wirklich unterhalten, es ist ein direkterer Austausch – auch wenn man da auch nicht ewig Zeit hat.

Ist das normalerweise das Anliegen der Fans, die zu euch kommen: diskutieren, reden, Meinungen austauschen? Oder wollen die meisten bloß einen schnellen Schriftzug auf ihrem T-Shirt?

Mal Élevé: Es gibt beides. Viele wollen nur ein Autogramm und ein Foto. Aber viele haben auch Bock, etwas mitzuteilen, Fragen zu stellen und ein Gespräch zu führen.

Wenn man das Feedback der Fans betrachtet: Ist ein Festival der richtige Kontext für politische engagierte Bands? Schaut man sich hier beim Highfield und bei vielen anderen Festivals um, geht es um Hedonismus, um Party, um die Möglichkeit, mal das Hirn auszuschalten. Nicht gerade gute Voraussetzungen, um mit ernsthaften Anliegen durchzudringen, oder?

Carlito: Gerade, weil es oft um Party geht, ist es ein guter Ort, um Inhalte reinzubringen. Das ist ein Überraschungseffekt. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele, die nur zum Feiern kommen oder politisch überhaupt nicht interessiert sind, auch aufmerksam werden und sich fragen: ‚Hä, was sagen die? Damit will ich mich mal näher beschäftigen.‘ Gerade deshalb ist es so wichtig für uns, auch auf solchen Festivals präsent zu sein. Um nicht nur die Leute zu motivieren, die eh schon anders denken, sondern auch neue Leute zu bewegen. Dafür ist so ein Festival ein toller Rahmen.

Gibt es da nachweisliche Erfolgserlebnisse? Melden sich Fans bei euch mit dem Hinweis: Hey, ihr habt mir die Augen geöffnet!

Mal Élevé: Krasserweise ja. Wir hören das bei Autogrammstunden oder kriegen Mails und Facebook-Kommentare mit solchen Geschichten. Das ist auch das, was uns motiviert und uns bestärkt, weiter bei solchen großen Festivals zu spielen: Wir wissen, dass es wirklich funktioniert. Man kann hier Leute erreichen, die sich vorher über bestimmte Fragen nie Gedanken gemacht haben, und die dann anfangen, sich zu engagieren. Natürlich sind das nur ein paar Leute aus 10.000, aber auch für diese paar Leute lohnt es sich.

Sind Festivals für euch auch als Indikator für den Erfolg von Irie Révoltés wichtig? Man freut sich doch bestimmt, wenn man feststellt: Letztes Mal haben wir hier um 13 Uhr gespielt, und dieses Mal ist es schon dunkel.

Carlito: Wir würden lügen, wenn wir das leugnen würden. Natürlich freuen wir uns über einen coolen Slot. Für uns ist das ein wichtigerer Gradmesser als meinetwegen Albumverkäufe. Aber das Coole ist: Egal, wann wir spielen, wir machen das Beste draus und rocken mit den Leuten.

Seht ihr einen Trend bei Festivals, jenseits von Party und Kommerz auch auf Inhalte zu setzen? Viva Con Agua, wo ihr sehr aktiv seid, könnte da ja ein Vorbild sein.

Carlito: Ich würde nicht von einem Trend sprechen. Es gibt mittlerweile bei den Veranstaltern etwas mehr Bewusstsein für manche Aspekte, etwa für die Folgen für die Umwelt, die so ein Festival hat. Auch Viva Con Agua hat es geschafft, quasi auf jedem deutschen Festival präsent zu sein. Aber das scheint mir eher eine kleine Sensibilisierung zu sein als ein großes Umdenken.

Mal Élevé: Hier beim Highfield finde ich gut, dass noch andere Stände stattfinden. Nicht nur Viva Con Agua, sondern auch Make Some Noise, Kein Bock auf Nazis oder Foodsharing. Es ist schön, dass die Veranstalter darauf achten. Ich hoffe, das ist auch ein Zeichen, dass da beim Publikum mehr passiert. Das ist ein Statement.

Sind solche Aktionen im Osten besonders wichtig, vor allem mit Blick auf Rassismus und Neonazis? Und geht ihr da auch in eurer Show speziell darauf ein?

Carlito: Das ist schwierig, denn leider sind das ja gesamtgesellschaftliche Probleme. Hier kommt es vielleicht öfter zum Vorschein. Wir passen nicht die Songs oder die Setlist der Region an, aber wir gehen natürlich auf aktuelle Entwicklungen ein. Vor allem, wenn gerade irgendetwas Krasses passiert ist.

Mal Élevé: Ich denke, dass es aber gerade angesichts von Pegida & Co. wichtig ist, so ein Festival zu haben, bei dem man ein klares Statement setzt. Man bestärkt die Leute, vor allem aus Regionen, in denen Nazis eine große Macht auf der Straße haben. Hier können sie sich ein Wochenende lang wohlfühlen, mit Gleichgesinnten, ohne Faschos.

Könntet ihr euch vorstellen, völlig unpolitische Musik zu machen?

Carlito: Das ist schwer. Es ist wichtig, dass es Musik gibt, die einfach nur Spaß macht. Wir haben ja auch bei Irie Révoltés ein paar Lieder, in denen es nur heißt „Komm, wir springen alle!“ Das ist einfach ein cooles Lebensgefühl. Aber sich nur darauf zu beschränken, wäre nicht mein Ding. Mir ist es einfach wichtig, da noch etwas reinzupacken, denn Musik ist ein toller Kanal dafür, weil sie einen auch auf emotionaler Ebene berührt und bewegt.

Mal Élevé: Die Kombination ist das Wichtige. Natürlich wollen wir Lust am Leben propagieren. Niemand will sich ein Konzert anschauen, das völlig verkrampft und viel zu ernst ist. Aber nur Hedonismus ist Nonsens, dadurch bewegst du nichts auf der Welt.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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