Lou Barlow – “Apocalypse Fetish”

Künstler Lou Barlow

Lou Barlow Apocalypse Fetish Review Kritik
Der skeptische Blick in die Zukunft prägt nicht nur das Cover der EP.
EP Apocalypse Fetish
Label Joyful Noise
Erscheinungsjahr 2016
Bewertung

Es ist ziemlich viel darüber bekannt, was Lou Barlow 1996 gemacht hat. Er brachte gerade The Folk Implosion weiter in Schwung, veröffentlichte ein Livealbum, auch seine Band Sebadoh war noch aktiv. Nicht verbürgt ist, dass er in diesem Jahr auch das damals erschienene Album Sutras von Donovan gehört hat. Aber es ist davon auszugehen, dass es damals auf seinem Plattenteller landete, und zwar ziemlich oft. Denn auf Apocalypse Fetish, seiner 20 Jahre später veröffentlichten EP, sind die Parallelen zu diesem Werk ziemlich erstaunlich.

The Breeze ist das erste von fünf Liedern auf Apocalypse Fetish, man hört nur eine akustische Gitarre (glaubt man zumindest) und gehauchten Gesang. Nicht nur die Ästhetik ist sehr vergleichbar mit dem von Rick Rubin produzierten Donovan-Album, sondern auch die Stimme ist erstaunlich ähnlich. Was man für eine Gitarre hält, ist indes eine Ukulele. Viele Lieder der EP sind entstanden, als Lou Barlow ein paar Ideen auf eben diesem Instrument ausprobierte. Alle wurden bei den Aufnahmen auch auf einer (deutlich tiefer gestimmten) Ukulele gespielt, die so etwas wie sein heimliches Lieblingsinstrument zu sein scheint: Sie ertönte einst schon in Poledo auf You’re Living All Over Me von Dinosaur Jr. aus dem Jahr 1987, ebenso auf dem dieser EP vorangegangenen Album Brace The Wave. Lou Barlow ist offensichtlich überzeugt, dass so viel Minimalismus keineswegs den künstlerischen Wert schmälert: „Ich wäre stolz, wenn dies meine letzte Platte wäre“, sagt er über diese 17 Minuten.

Reduzierte Arrangements prägen die im Mai 2016 mit Justin Pizzoferrato aufgenommene EP. Bei Pour Reward arbeitet er zusätzlich mit ein paar Effekten, was für einen freischwebenden, fluffigen Eindruck sorgt. Try 2 B wird kraftvoll, entschlossen, kämpferisch und ungeduldig, zwischendurch ergänzt um ein Synthesizer-Solo. Im Anniversary Song wird die Ukulele perkussiv eingesetzt, auch eine dezente E-Gitarre ist zu erkennen. Es scheint ausgelassen zuzugehen bei dieser Geburtstagsfeier, aber getrieben von reichlich unterdrückten Aggressionen.

Das zentrale Stück der EP ist der Titelsong. “Das Cover zeigt ein Neugeborenes, das ängstlich über den Arm seiner Mutter hinweg in Richtung 2016 späht. Also in das Jahr, in dem Verschwörungstheoretiker zu Experten wurden und Wut noch weiter den Mainstream bestimmte”, erklärt Lou Barlow. “Der Song Apocalypse Fetish vermutet, dass viele von uns vielleicht enttäuscht waren, dass das Ende der Welt noch nicht gekommen ist, obwohl wir einen Großteil unseres Lebens damit verbracht haben, es herbeizureden. Und dass wir jetzt vielleicht beschlossen haben, die Sache in die eigenen Hände zu nehmen um das langsam mal voranzubringen.“ Das Lied hat mehr Tempo und mehr Dramatik als die übrigen vier Songs, ein Fluch verhindert darin, dass es einen Ausweg gibt. Was die treibende Kraft auf dem Weg in den Weltuntergang zu sein scheint, ist dabei auch offenkundig, vielleicht geprägt aus eigener Erfahrung: Misstrauen.

Die Idioten in seiner Heimat sind die Stars im Video zu Apocalypse Fetish.

Website von Lou Barlow.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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