Hingehört: Luluc – “Passerby”

Künstler Luluc

Luluc machen Musik zum Schwelgen und Aus-dem-Fenster-gucken.
Luluc machen Musik zum Schwelgen und Aus-dem-Fenster-gucken.
Album Passerby
Label Sub Pop
Erscheinungsjahr 2014
Bewertung

Es ist ziemlich erstaunlich, dass die beiden Australier Zoë Randell und Steve Hassett erst nach Schottland kommen mussten, um zueinander zu finden. Dort lernten sie sich beim Edinburgh Festival kennen, und dieses Treffen wurde die Initialzündung für Luluc. Hört man die Musik des Duos, das nun seit 2010 in Brooklyn lebt, hätte man eigentlich gewettet: Die beiden gehörten von Geburt an zusammen. Randell (Gesang und Gitarre) und Hassett (Gesang, Gitarre, Bass und diverse weitere Instrumente) klingen auf Passerby beinahe, als wären sie eine Person.

Das Symbiotische bemerkten die beiden Musiker schon bei der ersten Begegnung in Schottland. “As soon as we sang together, we looked at each other and went, ‘Holy shit, that sounds really good’”, erinnert sich Steve Hassett. Zoë Randell bestätigt: “It was just a remarkable blend harmonically. Steve started harmonizing with this idea I was showing him, and the blend was absolutely amazing.”

Aus der Gewissheit, den richtigen musikalischen Mitstreiter gefunden zu haben, erwuchs bei Luluc zunächst einmal ein hohes Maß an Geduld. Erst Jahre nach den ersten gemeinsamen Gehversuchen in Edinburgh erschien 2008 das Debüt Hamlyn, das Randells verstorbenem Vater gewidmet ist. Jetzt haben sie sich noch einmal sechs Jahre Zeit für einen Nachfolger gelassen. Passerby ist das erste Album von Luluc, das einen weltweiten Release bekommt. Das Warten hat sich eindeutig gelohnt.

Was Luluc schon auf ihrem zweiten Longplayer perfektioniert haben, ist Musik zum Aus-dem-Fenster-gucken: verträumt, nostalgisch, reflektiert, beschaulich, mit einem Mix aus Neugier auf die Welt und Angst, sich hinauszuwagen. Dass das erste Lied Small Window heißt, ist kein Zufall. Ganz viele Stücke auf Passerby sind zauberhaft wie Reverie On Norfolk, ein höchst angenehmer Hauch wie Winter Is Passing oder so schön wie der Schlusspunkt Star, der sich selbst in den Schlaf zu wiegen scheint.

Senja klingt so stimmig und in sich ruhend, als sei es gar keine Komposition, sondern ein einziges Gefühl, ein einziger Ton. Without A Face hat ein ziemlich bedrohliches Gitarrenpicking zu bieten, in Passerby ist der Gesang engelsgleich – obwohl man gemeinhin nicht davon ausgeht, dass Engel so betrübt klingen können. Spätestens am Ende des Songs, bei der Zeile „As you go / know I love you so“, weiß man dann: Es ist Abschiedsschmerz, der diesen Engel bedrückt.

Randell thematisiert auch in diesem Song den Verlust ihres Vaters. Im Vergleich zu Hamlyn ist Passerby aber nicht monothematisch, zudem haben Luluc auch ihre Klangpalette deutlich erweitert. Produzent Aaron Dessner (The National) hat einen großen Teil dazu beigetragen, nicht nur mit Ideen, sondern auch als Musiker. Er spielt auf dieser Platte unter anderem Gitarre, Klavier und ein Harmonium. “Steve and I have similar intuitive taste. We work together so confidently and compatibly that it was kind of remarkable how well Aaron was able to fit in”, sagt Randell über die Zusammenarbeit. “He really felt like part of our creative brain.”

Lieder wie Tangled Heart mit einer schüchternen E-Gitarre und einem enorm eindrucksvollen Bläser-Finale profitieren sehr deutlich davon, doch Luluc überzeugen auch, wenn sie ganz reduziert agieren wie im fantastischen Early Night. Wie Zoë Randell dieses „Sometimes I don’t see what’s right in front of me“ singt, das kann man gar nicht oft genug hören. Gold On The Leaves hat eine ähnliche Magie und ist einer von etlichen Tracks, die an Nick Drake denken lassen. Joe Boyd, der Mann, der Nick Drake einst produziert hat, ist übrigens ein Fan von Luluc und bekommt auch ein Thank You im Booklet dieses Albums. Das ist kein Wunder: Die Lieder auf Passerby sind im Prinzip in jeder Hinsicht außer dem Gesang perfekte Nick-Drake-Songs. Und dass die Stimme von Zoë Randell schlechter wäre als die des 1974 gestorbenen Songwriters, kann man auch nicht gerade behaupten.

Alle Zeit der Welt lässt sich auch das wunderhübsche Video zu Small Window.

httpv://www.youtube.com/watch?v=T7U-WEaysCM

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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