Hingehört: Grey Reverend – “Of The Days”

Stimme, Gitarre und eine Mundharmonika - mehr gibt es auf "Of The Days" nicht.
Stimme, Gitarre und eine Mundharmonika – mehr gibt es auf “Of The Days” nicht.
Künstler Grey Reverend
Album Of The Days
Label Motion Audio
Erscheinungsjahr 2011
Bewertung **1/2

Kirchliche Würdenträger und Rockmusik – das ist keineswegs bloß eine Geschichte der Missverständnisse. Sister Rosetta Tharpe hat nach Ansicht vieler schon in den 1940er Jahren den Punkrock erfunden. The Bishops sind sicher gerade wieder mit packenden Rocksongs unterwegs. Shane MacGowan hat sich nach dem Ende der Pogues von The Popes begleiten lassen und Neal Casal brachte sein Talent liebend gerne bei den Cardinals ein.

Natürlich hat keiner von ihnen wirklich kirchliche Weihen empfangen. Auch beim Grey Reverend ist das so. Der heißt eigentlich Larry Brown, kommt aus Pennsylvania und lebt seit fünf Jahren in New York. Und er ist ein Hohepriester der Melancholie.

Auf seinem Debütalbum Of The Days gibt es nur zwei Instrumente: eine Akustikgitarre und eine Mundharmonika, wobei letztere auch nur in einem einzigen Song (dem verschlafenen Forsake) zum Einsatz kommt. Das ist definitiv gewagt. Denn um mit einem derart reduzierten Ansatz durchzukommen, braucht man entweder eine außergewöhnliche Stimme, ganz viel Talent oder ein gebrochenes Herz. Am besten aber: all das zusammen.

Der Grey Reverend hat leider nur eins davon zu bieten: den Kummer. Seine Stimme ist angenehm und irgendwo in der Nähe von Ryan Adams, doch der Gesang ist auf Of The Days derart hingehaucht, als wolle er permanent deutlich machen: Ignoriere mich, ich habe ohnehin nichts zu sagen! Besonders beeindruckend sind dann in der Tat auch die Texte nicht.

Als Songwriter erweist sich der Grey Reverend immerhin als kompetent. Es gibt filigranes Picking, bevorzugt mit vielen Hammer-Ons, und hübsche Songs wie das dramatische One By One oder Walk The Same, das heiterste Stück der Platte. Doch unterm Strich ist das viel zu eintönig und zu wenig bewegend, um wirklich zu überzeugen. Auf Dauer hat man bei Of The Days trotz aller Virtuosität das Gefühl: Selbst die Gitarre des Grey Reverend hat nur eine einzige Saite. Und jedes Mal, wenn er sie anschlägt, sagt sie denselben Satz: „Autsch, ich bin ja so sensibel.“

Grey Reverend spielt Walk The Same live und (natürlich) akustisch:

httpv://www.youtube.com/watch?v=Cro2hWug_WY

Grey Reverend bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Ein Gedanke zu “Hingehört: Grey Reverend – “Of The Days”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.