My Bloody Valentine – “Tremolo”

Künstler*in My Bloody Valentine

My Bloody Valentine Tremolo Review Kritik
“Tremolo” kann man als Beiboot zum Album “Loveless” verstehen.
EP Tremolo
Label Creation Records
Erscheinungsjahr 1991
Bewertung

“It has a great balance of pop melodies and head-fuck sonics”, hat Serge Pizzorno (Kasabian) über Loveless gesagt, das zweite Album von My Bloody Valentine, das er zu seinen absoluten Lieblingsplatten zählt. “I’ve never heard anyone make a guitar sound like Kevin Shields does.”

Die Tremolo EP kann man, ebenso wie Glider, als Beiboote zu diesem legendären Album verstehen. Enthalten sind hier sieben Stücke, von denen aber nur vier einen Namen bekommen haben, damit die Veröffentlichung weiterhin als EP funktioniert und in den entsprechenden Charts berücksichtigt werden kann. Diese seltsame Praxis hat zur Folge, dass man am Ende von drei Songs jeweils noch eine Sequenz hört, die eigentlich ein eigenständiger Song ist. Das fällt vor allem im digitalen Format auf (Domino hat gerade zum ersten Mal den gesamten Output von My Bloody Valentine digital verfügbar gemacht, remastered von den Originalbändern). Immerhin hat sich dieser Trick ausgezahlt: Tremolo erreichte 1991 tatsächlich Platz 24 der UK-Charts.

Wie erstaunlich diese Platzierung ist, fällt heute noch mehr auf als damals, denn was Bilinda Butcher (Giitarre, Gesang), Colm Ó Cíosóig (Schlagzeug), Debbie Googe (Bass) und Kevin Shields (Gitarre, Gesang und der hier viel häufiger als zuvor bei dieser Band eingesetzte Sampler) hier veranstalten, ist auch mit dem Abstand von 30 Jahren noch so abgefahren, dass es eigentlich nicht einmal in die Nähe einer Hitparade kommen dürfte. Um beim Zitat des Kasabian-Gitarristen zu bleiben, ist es ungefähr 90 Prozent “head fuck” und allenfalls 10 Prozent “pop”.

Die EP wird eröffnet von der Single To Here Knows When, die in anderer Fassung dann auch auf Loveless vertreten war. Der Song wabert, dräut und leiert, Stimmen werden zu Instrumenten und umgekehrt. Man kann hier gut nachvollziehen, was Kevin Shields meinte, als er über die Wirkung seiner Musik sprach: “Wenn wir spielten, erlebten die Leute normalerweise eine Art sensorischen Entzug und verloren das Zeitgefühl. Es zwang sie, im Moment zu sein, und da die Leute so etwas normalerweise nicht erleben, gab es ein Gefühl der Begeisterung.”

Swallow wird getragen von einem Sample mit türkischer Bauchtanzmusik und dem sphärischen Gesang von Bilinda Butcher, das geht über in einen der namenlosen Songs, diesmal ohne Percussions, dafür aber mit einem hypnotischen Gitarrenriff. Honey Power zeigt, dass My Bloody Valentine nicht nur die “Shoegaze Gods” waren, sondern auch die “Kings of Feedback”. Das Stück ist wild, lärmend und nur in der Strophe einigermaßen strukturiert. Nicht umsonst hat der NME eines ihrer Lieder 2006 in die Liste der Songs, “die dich garantiert taub machen werden” gewählt, nämlich Only Shallow. Als Reaktion auf die Wahrnehmung als harmlose Shoegaze-Band hätten MBV demnach fortan besonders gerne Musik gemacht, “die auf erdrückend lautem, eisigem weißem Rauschen beruhte”.

Im Moon Song sorgen Bongos für den eigenartigen Rhythmus, dazu gibt es dann doch noch eine verträumte, beinahe naive Melodie – und eine Textzeile, die ebenfalls zum Effekt passt, den Kevin Shields als Wirkung von My Bloody Valentine erkannt hat: “When I’m with you / I don’t know what to do.”

Das Video zu To Here Knows When.

Website von My Bloody Valentine.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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