Interview mit Hundreds

An ihrem Bruder Philipp schätzt Eva Milner seine Ruhe. Foto: Sinnbus/Andreas Hornoff
An ihrem Bruder Philipp schätzt Eva Milner seine Ruhe. Foto: Sinnbus/Andreas Hornoff

Die Erreger der Virusgruppe Picornaviridae sind ziemlich fiese Kerlchen. Sie lassen die Nasenschleimhaut anschwellen, gelegentlich kommt es zu Sekundärinfektionen in Hals und Rachen. Wenn man sein Geld damit verdient, jeden Abend auf der Bühne zu stehen und zu singen, möchte man ihre Gesellschaft sicher lieber meiden. Deshalb musste ich schweren Herzens mein Interview mit Eva Milner von Hundreds absagen, als das Hamburger Duo im Dezember im Täubchenthal Leipzig residierte. Freundlicherweise hat sie meine Fragen dann doch noch per Mail beantwortet. Es geht, klinisch rein, um Perfektionismus, Facebook-Illusionen und mögliche Gemeinsamkeiten mit Oasis.

Zweites Album, ausgiebige Tour, zuletzt mit Aftermath Remixes ein weiterer Release – 2014 war eine Menge los für Hundreds. Wie würdest du das Jahr in einem Wort zusammenfassen?

Eva Milner: Berg-und Talbahn.

In einem Interview zu Ten Headed Beast hast du einmal gesagt, dass du deine eigenen Entscheidungen immer wieder in Frage stellst, und zur Veröffentlichung von Aftermath erklärt, dass ihr jeden vermeintlich fertigen Song noch etliche Male ändert. Ist das Unentschlossenheit oder Perfektionismus? Und glaubst du, dass du dir damit manchmal selbst im Wege stehst?

Eva Milner: Dies ist die Entschlossenheit, ein gutes Album machen zu wollen. Perfektionismus aber auch. Natürlich steht man sich da auch mal selbst im Weg, wenn man soviel ausprobiert, wie wir es tun. Aber ich denke, und da spreche ich nur für uns, dass das genau der richtige Weg ist. Es bringt nichts, ein gefühlt halb fertiges Lied aufs Album zu nehmen.

Die Dezember-Tour in einem Wort?

Eva Milner: Glück.

Zu Beginn eurer Karriere hast du das Leben auf Tour einmal als „ein schönes Leben“ und als „sehr abwechslungsreich“ bezeichnet. Trifft das zig Konzerte später immer noch zu?

Eva Milner: Auf jeden Fall. Bei uns bewegt sich auch noch viel. Es ist immer aufregend. Das Publikum hat sich zum Beispiel verändert im Vergleich zu 2010. Es ist älter geworden und ein bisschen ruhiger. Wir fühlen uns sehr wohl damit, haben das Gefühl angekommen zu sein.

Habt ihr diesmal, anders als nach dem Debüt, auch während der Reisen an neuem Material arbeiten können? Wenn ja: Wie läuft das ab?

Eva Milner: Nein, natürlich nicht. Aber das Gute ist: Wir fangen jetzt direkt wieder an. Die Tour war kürzer, weil wir größere Locations gespielt haben. Jetzt arbeiten wir noch an der Akustiktour, die im Februar beginnt und dann geht die Arbeit fürs neue Album los.

Eure gesammelten Eindrücke von Leipzig in einem Wort?

Eva Milner: Großartigkeit!

Bei euren bisherigen Konzerten hier habt ihr euch besonders schöne Locations rausgesucht wie das Centraltheater oder die Schaubühne Lindenfels. Wie wichtig ist das Ambiente der Halle für eure Konzerte?

Eva Milner: Das ist schon wichtig. Aber nicht jede Stadt hat, wie Leipzig, diese Fülle an schönen Locations. Diesmal haben wir im Täubchenthal gespielt und obwohl es nicht diesen Theatercharme hatte, war es eine der schönsten Hallen auf der Tour. Manche Hallen bleiben eben Hallen mit wenig liebevollen Details.

Auch abseits der Shows achtet ihr offensichtlich sehr genau auf die Außendarstellung, auf eine Ästhetik, die zu Hundreds passt. Ist es schwierig, in Zeiten von Facebook und YouTube dieses Prinzip von der Band als durchgestyltes Gesamtkunstwerk aufrechtzuerhalten?

Eva Milner: Als durchgestylt würde ich uns jetzt nicht bezeichnen. Aber wir legen großen Wert auf Klarheit und einen hohen Wiedererkennungseffekt. Das passt zu uns. Bei anderen Bands, die auch privatere Dinge teilen, passt dann vielleicht auch mal ein Foto vom Mittagessen. Wir machen das bewusst nicht.

Ihr agiert in den sozialen Netzwerken ohnehin vergleichsweise zurückhaltend. Steckt dahinter auch die Erkenntnis, dass die dort vorgegaukelte Nähe zwischen Fans und Künstlern ohnehin eine Illusion ist?

Eva Milner: Ja, so kann man es bezeichnen. Aber trotzdem, ich empfinde es nicht als Illusion. Die Leute schreiben auf Facebook sehr viel und schicken Nachrichten oder Fotoalben von den Konzerten. Uns freut das immer sehr. Insofern ist das ein großartiges Tool, um ein bisschen in Kontakt zu bleiben.

Der deutsche Rolling Stone hat in seiner Oktober-Ausgabe 100 legendären Paare der Musikgeschichte aufgelistet. Mit Oasis, den Everly Brothers, Angus & Julia Stone oder The Knife waren auch ein paar Geschwisterpaare dabei. Einen roten Faden, was die Chemie zwischen all diesen Paaren so besonders macht, konnte ich allerdings nicht erkennen. Wie siehst du das? Was macht ein gutes Miteinander in einer musikalischen Zweierbeziehung aus?

Eva Milner: Dass man sagen darf: Es nervt mich! Und dabei nichts kaputt geht. Den anderen so lassen wie er ist, ist vielleicht die schwerste Aufgabe dabei. The Knife und Oasis haben sich aus sehr unterschiedlichen Gründen aufgelöst. So unterschiedlich wie auch ihre Musik ist. Ich denke nicht, dass es da sowas wie ein Geheimrezept gibt. Geschwister kennen sich einfach schon ihr Leben lang und vielleicht ist das die Auflösung dieser Fragestellung.

Wenn man als Bruder und Schwester in einer Band ist, was fällt dann schwerer? Kritik am anderen zu äußern oder ein Kompliment zu machen?

Eva Milner: Ich glaube, das mit den Komplimenten vergisst man eher mal. Aber es ist beides gleich wichtig, finde ich.

Um welche Eigenschaft beneidest du Philipp? Und um welche Eigenschaft beneidet er dich?

Eva Milner: Ich beneide ihn um seine Ruhe. Vielleicht beneidet er mich um meine Unruhe? Ich glaube nicht. 🙂

Für alle, die es vielleicht im Februar bei der Akustiktour mal entdecken wollen: Ein Hundreds-Konzert in einem Wort?

Eva Milner: Die Akustiktour wird schon anders als ein “normales” Hundreds-Konzert. Keine Lichtshow, keine Visuals, dafür aber die Songs in ihrer Ursprungsform. Intim und nah.

Euer Wunsch für 2015 in einem Wort?

Eva Milner: Frieden.

Im Februar 2015 sind Hundreds noch einmal auf Tour:

04.02.2015 Konstanz – Kulturladen
05.02.2015 Freiburg – Schmitz Katze
06.02.2015 Luzern – Schüür
07.02.2015 Ulm – Roxy
08.02.2015 Trier – Kasino
13.02.2015 Rostock – Heiligen Geist Kirche
14.02.2015 Kassel – Schlachthof
16.02.2015 Wien – Stadtsaal
17.02.2015 Nürnberg – Neues Museum
18.02.2015 Dresden – Schauburg
20.02.2015 Berlin – HAU 1
05.03.2015 Lörrach – Between The Beats Festival
24.04.2015 Dingolfing – Redbox Festival

Homepage von Hundreds.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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