White Denim – “Last Day Of Summer”

Künstler White Denim

Last Day Of Summer White Denim Review Kritik
“Last Day Of Summer” hätte der Schwanengesang von White Denim sein können.
Album Last Day Of Summer
Label Downtown
Erscheinungsjahr 2011
Bewertung

Einen besseren Titel für dieses Album hätten White Denim nicht finden können. Last Day Of Summer atmet tatsächlich die Atmosphäre des letzten Sommertages, genauer: des letzten Tages der Sommerferien. Die Band aus Texas fängt hier einen Moment ein, in dem der Ernst des Lebens unvorstellbar weit weg zu sein scheint nach all den Abenteuern, die man in den zurückliegenden Wochen erlebt hat, und in dem sich zugleich ein untrügliches Gefühl von Wehmut breit macht.

Home Together hat eine fast infantile Klaviermelodie als Basis und kombiniert das in bester Beach-Boys-Manier mit einem dezenten Boogie, woraus ein beträchtlicher Charme erwächst. Gitarre und Bass in Tony Fatti sind so hyperaktiv wie bei den Good Shoes, das Versprechen dazu lautet: „I just wanna give you a trip to remember.“ Das akustische Instrumental Incavaglia wird etwas jazzig, wobei die Bassmelodie anfangs ab und zu mit Elementen aus dem Hotel California zu spielen scheint. Schon die Gitarrenfigur am Beginn von Some Wild Going Outward strahlt größte Spielfreude aus, der Rest des Lieds bestätigt das dann und vereint Eingängigkeit mit Unberechenbarkeit wie vieles auf Last Day Of Summer.

White Denim hatten gute Gründe für diese sehr besondere Attitüde, denn nach dem 2009 erschienenen Fits, ihrem zweiten Album, hatten sie zwar weiterhin große Lust auf ihre Band, aber mangels kommerziellen Erfolgs keine allzu großen Hoffnungen mehr in deren längerfristiges Fortbestehen. Mit dieser Perspektive (und erstmals mit Austin Jenkins als reguläres Bandmitglied an der zweiten Gitarre) gingen sie ins Heimstudio von Schlagzeuger Josh Block und nahmen alles innerhalb eines Monats auf. „Für uns erschien es wie die letzte Chance, eine Platte zuhause zu machen, nach unseren eigenen Bedingungen. Uns war auch klar, dass das Album kaum eine Chance haben würde, tatsächlich regulär veröffentlicht zu werden. Das war letztlich eine befreiende Voraussetzung“, erzählt Frontmann James Petralli. „Wir sind davon ausgegangen, dass wir danach wieder in unsere normalen Jobs zurückkehren und uns um die Band nur noch am Wochenende kümmern können.”

Es sollte dann doch noch eine weitere Platte geben, nämlich D – und weil die erstaunliche Resonanz fand, wurde Last Day Of Summer (nach der eigenen Zählung der Band das dritte Album, auch wenn es als viertes herauskam) dann Ende 2011 doch auch offiziell veröffentlicht, nämlich auf 500 Vinyl-Exemplaren, die nur im UK verkauft wurden. Zuvor war das Ergebnis der Sommersause in Austin nur als Download mit „Pay what you like”-Prinzip verfügbar.

Just The Way We Were war schon auf Fits enthalten, ist hier in einer neuen Version vertreten und durchaus typisch für die Session, nämlich mit so viel Energie und Ideenreichtum ausgestattet, dass man beinahe von Übermut sprechen kann. Das abstrakte Instrumental Light Light Light mit Alex Coke als Gast am Saxofon zeigt vielleicht am meisten vom Können dieser Band, vor allem aber von ihrer Fantasie und ihrer Fähigkeit, sagenhaft intuitiv miteinander zu musizieren. Shy Billy bewegt sich etwas in Richtung R&B und Funk (vor allem durch die Gitarre), der Rhythmus von Through Your Windows wird angereichert mit vielen ungewöhnlichen Details – so könnten Vampire Weekend klingen, wenn sie Cowboystiefel statt Sneakers tragen würden.

Im vergleichsweise fokussierten Blues von If You’re Changing geht es wie im Albumtitel um die Sorge vor einer Veränderung, die sich schon länger andeutet, die unvermeidbar und vielleicht unumkehrbar sein wird. Champ wechselt zwischen sehr entspannten und nachgerade aufregenden Passagen, auch hier merkt man nur bei sehr genauer Betrachtung die Virtuosität, die dafür nötig ist, diesen Mix so beiläufig klingen zu lassen.

Dass Last Day Of Summer oft sehr retro klingt, liegt keineswegs daran, dass White Denim in bewährten Strukturen verblieben, sondern an der Wärme des analogen Sounds, auf den sie setzen. In Out Get schließt ein Santana-Gitarrensolo ein Lied ab, das auf denkbar angenehme Weise von einem Sonnenstich betroffen zu sein scheint, weil vieles hier wohlig desorientiert klingt. New Coat ist zum Abschluss so etwas wie der Hit der Platte: kompakt, heiter und leichtfüßig.

Für die Fans von White Denim dürfte das mehr als eine Entdeckung aus dem Archiv sein. Sänger James Petralli fasst das Album am besten zusammen: „Es zeigt eine Band, bestehend aus vernünftigen Erwachsenen, die sich einer ziemlich unvernünftigen Sache widmen. Wir haben es geschafft, eine fröhliche und optimistische Platte zu machen in einer Zeit, die für uns persönlich eher schwierig war. Ich habe die Aufnahmen kürzlich noch einmal angehört, und ich liebe sie immer noch. Es ist großartig, dass jetzt mehr Menschen eine Gelegenheit bekommen werden, diese Musik zu hören.“

White Denim live bei KEXP.

Website von White Denim.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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