Angel Olsen – “My Woman”

Künstler Angel Olsen

Angel Olsen My Woman Kritik Rezension
Etwas poppiger ist Angel Olsen auf ihrem dritten Album geworden.
Album My Woman
Label Jagjaguwar
Erscheinungsjahr 2016
Bewertung

Angel Olsen möchte sich nicht gerne festlegen lassen auf ein Thema. Viel zu viele Eindrücke fließen in ihre Musik ein, betont sie. Alles werde zudem stark bearbeitet, sodass ein Rückschluss aus ihren Songtexten auf ihre Biographie nicht direkt möglich ist. „Ich nutze definitiv Szenen, die sich wieder und wieder in meinem Kopf abspielen, genauso wie man ein Drehbuch schreibt und eine Erinnerung so manipuliert, dass sie passt. Aber ich denke, es ist wichtig, dass Menschen Dinge so interpretieren können, wie sie es wollen“, sagt die 29-Jährige, die nun mit My Woman ihr drittes Album vorlegt.

Hört man etwas genauer hin (oder orientiert man sich einfach am Albumtitel), lässt sich auf dieser von Justin Raisen (Charli XCX, Santigold) produzierten Platte aber doch so etwas wie ein Leitmotiv erkennen. Ganz am Ende der Platte wirft sie sich in Woman zu einem überraschenden Elektropop-Sound richtig hinein in ihr Grübeln, Leiden und Kämpfen rund um die Frage „What makes me a woman?“ Dass sie dieser Gedanke auch in den anderen Liedern umtreibt, räumt Angel Olsen dann doch ein. Wenn man unbedingt ein dominierendes Thema für My Woman definieren wolle, dann sei es vielleicht das „komplizierte Chaos, eine Frau zu sein und für sich selbst einzustehen“.

Es ist ein wunderbares Vergnügen, sie und ihre langjährigen Mitstreiter Emily Elhaj (Bass), Joshua Jaeger (Drums) und Stewart Bronaugh (Gitarre) sowie Gitarrist Seth Kauffman als Gast durch dieses Chaos zu begleiten. Leidend stellt sie im reduzierten Auftakt Intern fest: „The world will make a fool of you.“ Wenig später setzt sie in Shut Up Kiss Me auf eine knochentrockene Gitarre, Rotzigkeit wie PJ Harvey und klare Ansagen, die zu den Dum Dum Girls passen würden: „Shut up, kiss me, hold me tight!“

„I’ve seen you changing“, singt sie in Heart-shaped Face. Man weiß nicht: Ist das ein Vorwurf? Ein Kompliment? Eine Beobachtung? Auf jeden Fall ist da sehr, sehr viel, das zurückgehalten wird, unausgesprochen bleibt und unter der Oberfläche brodelt. Auch im Countryrock von Sister ist dieses Gefühl von der Unmöglichkeit, wirkliche Nähe, Harmonie und Übereinkunft hinzubekommen und aufrechtzuerhalten, sehr präsent.

In Never Be Mine wirkt Angel Olsen wie ein weiblicher Buddy Holly: Der Song hat eine gewisse Reserviertheit in der Form, die aber doch nicht die große Leidenschaft verbergen kann, die dahinter steckt. Eine drängende Ungeduld à la Courtney Barnett steckt in Give It Up. Die wunderbare Atmosphäre von Those Were The Days und die Pianoballade Pops zeigen, wie prominent diesmal – gerade im Vergleich zum Vorgänger Burn Your Fire For No Witness – ihre Stimme in Szene gesetzt ist.

Dieser Kniff trägt entscheidend dazu bei, das wichtigste Charakteristikum dieser Musik deutlich zu machen, das vor allem in Not Gonna Kill You hervortritt: Wie sich Angel Olsen da für ihren Gesang und später auch für das schräge Gitarrensolo das Recht herausnimmt, keiner Konvention zu entsprechen, ist nicht nur erfrischend. Sondern ein packender Ausdruck eines echten Freigeists.

Angel Olsen spielt Shut Up Kiss Me in der Late Show.

https://www.youtube.com/watch?v=-RGAHeeFr_E

Angel Olsen ist auf Tour.

19.10.2016 – Hamburg, Kampnagel

25.10.2016 – Berlin, Columbia Theater

26.10.2016 – München, Ampere

28.10.2016 – Köln, Stadtgarten

Website von Angel Olsen.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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