Lovesong für Bobby Long

Film Lovesong für Bobby Long

Lovesong für Bobby Long Review Kritik
Pursy (Scarlett Johansson), Bobby Long (John Travolta) und Dawson (Gabriel Macht, von links) sind eine WG wieder Willen.
Produktionsland USA
Jahr 2004
Spielzeit 120 Minuten
Regie Shainee Gabel
Hauptdarsteller John Travolta, Scarlett Johansson, Gabriel Macht, Deborah Kara Unger
Bewertung

Worum geht’s?

Lorraine war eine nicht übermäßig erfolgreiche, aber sehr geschätzte Singer-Songwriterin in New Orleans. Als sie stirbt, zieht ihre 18-jährige Tochter Pursy ins Haus der Mutter ein. Die beiden hatten in den letzten Jahren nicht mehr viel Kontakt, doch jetzt ist Pursy dankbar für die Möglichkeit, Florida und ihren nervigen Freund zu verlassen und in Louisiana eine neue Bleibe und vielleicht eine neue Idee für ihren weiteren Lebensweg zu finden. Das Haus hat sie allerdings nicht für sich alleine: Dort leben auch Bobby Long, ein ehemaliger Literaturprofessor, und Lawson, sein einstiger Assistent, der seit vielen Jahren an seinem ersten Roman arbeitet. Beide waren gut mit Lorraine befreundet und behaupten, von ihr ebenfalls jeweils ein Drittel des Hauses geerbt zu haben, wo ihr Tagesablauf meist aus Trinken, Lesen, Faulenzen und dem Austausch von Zitaten aus der Weltliteratur besteht. Pursy lässt sich darauf ein, bleibt aber auf Distanz zu den beiden Männern. Trotzdem wird sie unfreiwillig schnell zum Mittelpunkt der Dreier-WG: Lawson fühlt sich zu der jungen Frau hingezogen, Bobby Long hingegen ist genervt, weil sie die liebgewonnene Säufer-Routine stört, und will sie lieber heute als morgen loswerden. Nach einer Weile raufen sich die drei schließlich zusammen und schließen einen Pakt: Bobby und Lawson geben Pursy Privatunterricht, damit sie ihren Schulabschluss nachholen (und sich danach vielleicht eine neue Bleibe suchen) kann. Im Gegenzug versucht die junge Frau, ihre neuen Bekannten vom Alkohol fernzuhalten – und von ihnen mehr über das Leben ihrer Mutter zu erfahren.

Das sagt shitesite:

Die Musik steht, anders als der Titel es suggerieren könnte, nicht im Mittelpunkt von Lovesong für Bobby Long. Auch der Plot ist hier im Prinzip bloß Nebensache. Schon eher wird hier dem Südstaaten-Flair mit atmosphärisch sehr gelungener Kameraarbeit ein weiteres Denkmal gesetzt, vor allem aber ist der Film das Porträt dreier außergewöhnlicher Charaktere. Lawson ist dabei als verkappter Romanautor, der zwischen zwei Frauen hin- und hergerissen ist, noch am schlichtesten. Er bildet aber das wichtige Gegenstück zum charismatischen Bobby Long, der zwischen Geistesgrößen und Gosse schwankt, der jovial und gesellig sein kann, aber auch hochgradig empfindlich reagiert, wenn sein Mikrokosmos oder seine Routinen gestört werden. Die beiden Männer verbindet die Lüge, die der Zuschauer (anders als Pursy) von Beginn an kennt: Sie behaupten zwar, Mit-Erben zu sein, in Wirklichkeit hat ihnen Lorraine aber nur ein Jahr Bleiberecht in ihrem Haus eingeräumt, dessen alleinige Besitzerin ihre Tochter ist. Sie verbindet zudem eine Freundschaft, aber unverkennbar auch eine Abhängigkeit und – wie sich schließlich zeigt – eine Buße.

Die reizvollste Figur ist Pursy. Sie stört die fragile Balance zwischen Bobby und Lawson, und zwar vorsätzlich. Sie überträgt die Frustration, die sich ihrer verstorbenen Mutter gegenüber angestaut hat, auf diese beiden Freunde von Lorraine. Gesteigert wird dieser Effekt durch die irritierende Position, in die sie bei ihrem Umzug nach New Orleans gerät: Jeder kennt sie aus den Tagen, als sie noch als Kind in dieser Gegend gelebt hat, für sie selbst hingegen sind all diese Menschen bloß Fremde. Erst nach und nach erkennt sie, dass sie diese Gelegenheit nutzen kann, um einen Zugang zu ihrer Mutter und damit zu ihrer eigenen Identität zu finden.

Neben den reizvollen Literatur-Bezügen ist das der Reiz von Lovesong für Bobby Long: Alle hier wollen sich mit der Vergangenheit versöhnen und etwas gutmachen, was sie dort falsch gemacht haben, aber als Mittel dazu wählen sie ausgerechnet die Provokation und den Versuch, sich gegenseitig maximal auf die Nerven zu gehen.

Bestes Zitat:

“Wir können nicht eine Seite aus dem Buch unseres Lebens reißen. Aber wir können das ganze Buch ins Feuer werfen.”

Der Trailer zum Film.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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