1942 Ostfront

Film 1942 Ostfront

1942 Ostfront Review Kritik
Kartsev (Ivan Batarev) ist Hans Dampf in allen Gassen in seiner Kompanie.
Originaltitel Rzhev
Produktionsland Russland
Jahr 2019
Spielzeit 113 Minuten
Regie Igor Kopilow
Hauptdarsteller Aleksandr Gorbatov, Ivan Batarev, Aleksandr Bukharov
Bewertung

Worum geht’s?

Die nordrussische Stadt Rschew, die dem Film im russischen Original auch seinen Titel gegeben hat, war ein wichtiger Schauplatz des Zweiten Weltkriegs. Angesichts der enormen Verluste der Roten Armee dort ging er als „Fleischwolf von Rschew“ ins historische Bewusstsein ein. Eine Episode daraus zeigt der Film: Eine Kompanie von Rotarmisten soll das Dorf Ovsyannikovo einnehmen, das von Deutschen besetzt wird. Das Örtchen ist zwar schon weitgehend zerstört, aber es ist ein wichtiges Puzzlestück für eine Begradigung der Front und somit für den im selben Jahr folgenden sowjetischen Sieg in Stalingrad, schließlich für die Wende im Weltkrieg. Deshalb hoffen die Soldaten in Ovsyannikovo auch, dass sie bald Verstärkung und Nachschub bekommen, doch daraus wird nichts. Im Gegenteil: Die Wehrmacht versucht, das Dorf zurückzuerobern, was weitere Verluste mit sich bringt. Zum Mangel an Waffen, Munition und Proviant kommt dann auch noch ein Politoffizier, der aus dem Hauptquartier geschickt wurde und die Gesinnung der Soldaten überprüfen soll, was sich neben Schlafmangel, Hunger und der ständigen Bedrohung durch den Feind als weitere Belastung für die Männer an der Front erweist.

Das sagt shitesite:

Der Kommandant der Einheit, um die es in 1942 Ostfront geht, bleibt hier ohne Namen. Auch viele andere der Figuren sind anonym, und das ist genauso zweischneidig wie die Wirkung dieses Films insgesamt. Einerseits ist es konsequent, wie schon die besonders brutale und blutige Eingangssequenz à la Der Soldat James Ryan zeigt: Das Kennenlernen innerhalb der Truppe bleibt unverbindlich, weil jeder ein paar Stunden später tot sein kann. Womöglich lohnt es sich also gar nicht, sich den Namen des Nebenmanns zu merken. Zugleich führt diese Namenlosigkeit dazu, dass hier kaum Identifikation möglich wird. Regisseur und Drehbuchautor Igor Kopilow springt zwischen seinen Figuren hin und her, so entstehen weder ein roter Faden noch die nötige Fallhöhe. Bei all der Action (der Film ist in Deutschland als FSK 18 eingestuft), kommt somit deshalb kaum Spannung auf.

Dass es keinen wirklichen Helden in 1942 Ostfront gibt, ist auch deshalb überraschend, weil eine solche Personalisierung zum Pathos passen würde, das hier derart präsent ist, dass man beinahe von Propaganda sprechen kann, zumal in Zeiten, in denen Russland versucht, den Ruhm aus dem Großen Vaterländischen Krieg für aktuelle militärische Auseinandersetzungen zu nutzen, etwa auf der Krim oder im Donbas. Die Botschaft ist überdeutlich: Krieg erfordert Opferbereitschaft, Tapferkeit und Entbehrung, und kaum jemand ist dazu so sehr in der Lage wie die Männer der Roten Armee.

Ein Kriegsfilm aus russischer Sicht ist für das deutsche Publikum ungewöhnlich genug, und den Versuch der Indoktrination kann man natürlich auch in Werken aus Hollywood oder Babelsberg erkennen. Doch auch, wenn man das ausblendet, bleibt 1942 Ostfront wirr und erzählerisch blass, weil es fast keine Handlung gibt und keine der Figuren so etwas wie Charakter oder Individualität bekommt. Das mag eine zutreffende Darstellung des Geschehens im Schützengraben sein, packendes Kino ist es indes nicht.

Am ehesten sorgt noch das Eintreffen des jungen NKWD-Offiziers für Spannung. Hier wird einerseits deutlich, dass die ideologischen Vorgaben mitunter im Widerspruch stehen zu dem, was militärisch und taktisch geboten wäre, worunter die Loyalität, Moral und Gesinnungstreue der Männer entsprechend leidet. Ohnehin bietet der Film für einen Action-Streifen ziemlich viele ruhige Passagen, die sich immer wieder mit den Schlachtszenen abwechseln und genug Raum geboten hätten, um hier auch Tiefe zu erzeugen. Wir sehen Kameradschaft, derbes Miteinander und Erinnerungen an die Zeit vor dem Krieg. Ideale und Begeisterung sind Pragmatismus und Galgenhumor gewichen, auch Intrigen und Rivalitäten, Mutproben und Provokationen zwischen den Männern zeichnen sich ab. Dazu kommen platte Dialoge über die gesellschaftlichen Zustände, die womöglich den Zusammenhalt des sowjetischen Vielvölkerreichs heraufbeschwören sollen, oder Hoffnung auf Religion als weiteres vermeintlich einendes Element zur Bestätigung der eigenen moralischen Überlegenheit. Das funktioniert aber weder beim Ziel, den Protagonisten des Films ein Gesicht zu geben, noch als Versuch, inmitten des Blutbads den Wert von Gerechtigkeit und Menschlichkeit zu betonen.

Bestes Zitat:

„Was kommt, wissen wir nicht. Wir haben keine Ahnung. Warten wir’s ab.“

Der Trailer zum Film.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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