Kele – “Trick”

Künstler Kele

Keles zweites Soloalbum legt den Verdacht nahe: Mit Rock hatte er nie etwas am Hut.
Keles zweites Soloalbum legt den Verdacht nahe: Mit Rock hatte er nie etwas am Hut.
Album Trick
Label Lilac Records
Erscheinungsjahr 2014
Bewertung

Man kann das nur für ein Missverständnis halten. „Rock musicians dipping their toes into electronic waters isn’t new, but rarely do they make the transition sound effortless, and even more rare is the musician who can capably turn out stuff that sounds like it’s been blessed by the scene’s fixtures”, schreibt Pitchfork über Trick, das zweite Soloalbum von Kele Okereke.

Ein Rocker, der nun die Elektronik für sich entdeckt? Hört man die elf Tracks von Trick, kann man an diese These nicht glauben. Im Gegenteil: Man muss davon ausgehen, dass Kele Okereke schon immer im Herzen ein DJ, Produzent und Computersoundtüftler war, kein Gitarrenmann. Und das er, jenseits seiner Band, diese Veranlagung jetzt endlich auslebt. Schließlich hat er ja auch bei Bloc Party schon früh versucht, die klassischen Rock-Pfade zu verlassen. Schon deren zweites Album A Weekend In The City zeigte Hinweise darauf, Intimacy war dann beinahe voll und ganz elektronisch. Und in jüngster Vergangenheit war Kele vor allem mit reichlich DJ-Sets aufgefallen, inklusive seiner Tapes für das Dance-Label !K7.

Die These, dass der Sohn nigerianischer Einwanderer kein Rocker ist, der sich zum Clubmusik-Mann entwickelt hat, sondern ein Techno-Head, der aus Versehen als Sänger in einer Rockband gelandet war, ist natürlich falsch (beispielsweise im Interview mit der Zeit hat Okereke die richtige Reihenfolge dargelegt, als er das Gefühl seines ersten Kontakts mit Synthesizern umschrieben hat: „Ich war so aufgeregt wie beim ersten Mal, als ich eine Gitarre in die Hand nahm. Alles war plötzlich wieder spannend.“). Dass die These trotzdem so überzeugend wirkt, ist vielleicht der größte Triumph von Trick.

Es ist die Selbstverständlichkeit, Souveränität und Stilsicherheit, mit der Kele hier agiert, die am meisten beeindruckt. Höhepunkt ist Stay The Night ganz am Schluss des Albums mit großer Klasse und großer Reife – so könnten Hurts vielleicht klingen, wenn sie irgendwann der Bravo entwachsen sollten. Humour Me ist fein konstruiert, gewinnt nach und nach Kraft und Unbedingtheit. Year Zero zeigt, dass Kele nicht den stacheligen Gitarren und wuchtigen Drums seiner Bloc-Party-Kollegen braucht, um ein perfektes Medium für die Leidenschaft und Seelenpein zu finden, die man von ihm kennt.

Silver And Gold integriert ein paar Sounds aus dem Elektropop-Museum, das Zusammenspiel von Keles Gesang mit dem von Yasmin Shahmir im sanften Opener First Impressions (inklusive des Versprechens „There’s a good thing going on“) wird zauberhaft. Auch in der Single Closer (der einzige Track, der so etwas Ähnliches wie eine Gitarre zu enthalten scheint) besticht seine wunderbar herbe Stimme; als sich das Ganze dann als Duett mit Jodie Scantlebury entpuppt, erreicht das Lied genau die Intimität, von der Depeche Mode seit Jahrzehnten nur träumen können bei ihren Versuchen, Balladen und Hedonismus, Gitarren und Synthesizer zu verbinden.

Apropos Intimität: Intimacy, das Bloc-Party-Album aus dem Jahr 2008, ist tatsächlich der beste Bezugspunkt für die Musik auf Trick. Denn die Platte hat keine Extase zu bieten – was vor allem erstaunt, wenn man Kele als ausgelassenes Party-Animal bei den Konzerten zu seinem ersten Soloalbum The Boxer erlebt hat. Die Single Doubt, im klassischen Chicago-House-Sound, ist am ehesten tanzbar, weil der Bass antreibt, auch wenn der Beat eher dezent bleibt. Like We Used To könnte man als gezähmte Variante des typischen DFA-Sounds begreifen, vielleicht ist das eine Nachwehe von Keles Gastspiel bei Hercules & Love Affair. Ansonsten gibt es nichts, was für den Dancefloor geeignet wäre.

“Okereke’s swapped aggression for subtlety”, hat Pitchfork diese Wandlung treffend zusammengefasst, wobei man den Mangel an Krachern durchaus als Verlust begreifen kann und der in New York und London aufgenommenen Platte gelegentlich auch etwas mehr Dynamik wünschen würde. Wenn der 31-Jährige nun zu den Breakbeats und Dubstep-Referenzen der Single Coasting „We’re gonna take it slow“ singt, dann erweist sich das eindeutig als Motto für diese Platte, ist aber selbstverständlich auf amouröse und hormonelle Anbandelung gemünzt. Wenn es einen originellen Rhythmus wie in My Hotel Room gibt, dann soll der unzweifelhaft der Verführung dienen (was der Hinweis „My hotel room / is not too far“ zusätzlich betont). Das zeigt: Der richtige Ort für dieses Album ist nicht der Club, sondern vielmehr das Schlafzimmer.

Kele erklärt im Interview die Einflüsse für Trick.

Homepage von Kele.

 

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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