Dirty Projectors – “Sing The Melody”

Künstler Dirty Projectors

Dirty Projectors Sing The Melody Review Kritik
Dirty Projectors spielen auf “Sing The Melody” ihre eigenen Songs in neuen Versionen ein.
Album Sing The Melody
Label Domino
Erscheinungsjahr 2019
Bewertung

Man darf wohl die Frage stellen, was (jenseits des bevorstehenden Weihnachtsgeschäfts) der Grund dafür ist, dass Dirty Projectors heute acht Neuinterpretationen ihrer eigenen Songs veröffentlichen, fünf davon Lieder, die erst im vergangenen Jahr auf Lamp Lit Prose erschienen sind. Glücklicherweise gibt Sing The Melody mindestens vier sehr überzeugende Antworten darauf.

Erstens: Die Veröffentlichung ist Teil der Domino-Documents-Session-Serie. In loser Folge dürfen darauf Domino-Acts ihre eigenen Lieder live neu einspielen, inspiriert von den legendären BBC-Sessions von John Peel.

Zweitens gibt es die acht darauf vertretenen Songs, aufgenommen im Spätherbst 2018 in der PowerStation in Manhattan, in komplett neuen Arrangements, die größtenteils während der Tour zu Lamp Lit Prose entstanden sind und getestet wurden. Was Dirty Projectors beispielsweise mit Right Now anstellen, das die Platte eröffnet, ist mehr als beeindruckend: Die Gitarrenarbeit von Frontmann David Longstreth und Maia Friedman ist irre, die Melodie klingt noch ungewöhnlicher als in der stärker im Studio bearbeiteten Version, die Tatsache, dass man so einen Track überhaupt live performen und dabei sogar noch neue Facetten hinzufügen kann, ist höchst erstaunlich.

Drittens tritt die Bedeutung der weiblichen Mitglieder bei Dirty Projectors hier deutlich klarer hervor, sowohl an ihren Instrumenten als auch als Sängerinnen. What Is The Time klingt dank Felicia Douglass, Kristin Slipp und Maia Friedman hier wie Future-Soul, auch an vielen anderen Stellen von Sing The Melody können sie glänzen.

Viertens, und das ist der wichtigste Effekt dieser Veröffentlichung, zeigen die New Yorker, was für eine sagenhaft kreative Band sie sind. Man könnte beispielsweise Lamp Lit Prose hören und bei oberflächlicher Betrachtung den Eindruck haben, dies seien halbwegs konventionelle Lieder, die mit vielen Studio-Tricks aufgemotzt wurden. Die hier zu findenden Arrangements, die fast durchweg klingen, als würden fünf Menschen gemeinsam und live diese Töne erzeugen (was ja auch der Fall ist), beweisen das Gegenteil: Beispielsweise die neue Version von I Feel Energy macht den Ideenreichtum, der darin steckt, viel besser erkennbar. Cool Your Heart offenbart plötzlich eine Reggae-Basis, auch Break-Thru macht klar, wie viel Wagemut, Intelligenz und Musikalität bei dieser Band in jeder kleinen Sequenz steckt.

Dazu gibt es mit FourFiveSeconds eine eigene Version des Songs, den David Longstreth mit den nicht ganz unprominenten Co-Autoren Paul McCartney, Kanye West und Rihanna geschrieben hat. Auch Knotty Pine ist vertreten, ein Gemeinschaftswerk von ihm mit David Byrne (das hier allerdings beinahe klingt, als stamme es aus dem Repertoire von Bruce Springsteen). In Summe ist das bei weitem nicht nur für Fans eine Entdeckung. Denn Sing The Melody beweist: Dirty Projectors sind nicht nur eine Band, die mit ihren Songs krasse Sachen im Studio anzustellen weiß. Sie sind eine Band, die krasse Sachen mit Gesang und Instrumenten anstellen kann – weil in ihren extrem musikalischen Köpfen unfassbare Dinge abgehen.

FourFiveSeconds und Knotty Prine im Doppelpack.

Website der Dirty Projectors.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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