Film / TV

The Pacific

Serie The Pacific

The Pacific zeigt einen Krieg ohne Erbarmen - auf erbarmungslose Weise.
The Pacific zeigt einen Krieg ohne Erbarmen – auf erbarmungslose Weise.
Produktionsland USA
Jahr 2010
Spielzeit 522 Minuten
Regie Tim Van Patten, David Nutter, Jeremy Podeswa, Graham Yost, Carl Franklin, Tony To
Hauptdarsteller James Badge Dale, John Seda, Joe Mazzello
Bewertung

Worum geht’s?

Die zehnteilige Serie begleitet die drei US-Marines Robert Leckie, John Basilone und Eugene Sledge bei ihren Kämpfen auf verschiedenen Pazifik-Inseln, beginnend im Jahr 1941. Alle drei Hauptfiguren sind real, zum Teil beruht die Handlung der Serie auf ihren Memoiren. Die Männer müssen im Zweiten Weltkrieg gegen die unerbittliche japanische Armee kämpfen, aber auch gegen den Dschungel und die Erkenntnis, dass ihr Mut und Einsatz womöglich sinnlos sind.

Das sagt shitesite:

In Mona Lisas Lächeln, dem Kassenschlager mit Julia Roberts aus dem Jahr 2003, gibt es eine rührende Szene. Eine etwas reifere Dame namens Nancy ist da bei einem Tanzball im Jahr 1953. Sie lernt einen schmucken jungen Mann kennen, der schon bald wissen will, ob Nancy einen Ehemann hat. Als Antwort bekommt er nur ein Schluchzen und zwei Worte: «South Pacific».

Später im Film kommt zwar heraus, dass Nancy in Wirklichkeit keine Kriegerwitwe ist, sondern eine alte Jungfer. Trotzdem ist die Szene bezeichnend. Es gab einmal eine Zeit, da stand das Wort «Pacific» im amerikanischen Bewusstsein gleichbedeutend für «Tod». Der Kampf gegen Japan begann für die USA deutlich eher und dauerte ein ganzes Stück länger als der Einsatz auf den Schlachtfeldern Europas. Und er war deutlich brutaler. Der Krieg im Pazifik war für viele Amerikaner der eigentliche Zweite Weltkrieg.

Längst hat sich das geändert. In den USA sind die Schlachten um Guadalcanal oder Iwojima in Vergessenheit geraten, und in Europa hat man von diesen Orten womöglich noch nie etwas gehört. Doch Amerika hat es schon immer perfekt verstanden, seine Historie (zumindest, wenn sie heldenhaft war) ins öffentliche Bewusstsein zurückzubringen. Das beliebteste Mittel dazu ist nicht das Geschichtsbuch, sondern Hollywood.

Oberflächlich betrachtet trifft das auch auf The Pacific zu. Die Mini-Serie scheint in einer Reihe zu stehen mit Der Soldat James Ryan, Die Brücke von Remagen oder Pearl Harbor. Doch der zweite Blick zeigt: Die mit dem Emmy ausgezeichnete Serie, die nun komplett auf DVD vorliegt, ist alles andere als eine Heldensaga. Und gerade deshalb ist The Pacific so gut.

The Pacific, unter anderem produziert von Steven Spielberg und Tom Hanks, ist mit einem Budget von rund 150 Millionen Dollar eine der teuersten TV-Produktionen aller Zeiten. Auf DVD wird erst recht deutlich, wie grandios die zehn Folgen ausgestattet sind. Zudem zeigt das Making Of im Bonusmaterial auf einer sechsten DVD, wie sich etwa die Schauspieler in einem Army-Bootcamp auf ihre Rollen vorbereiteten, wie gründlich die Macher die historischen Hintergründe recherchierten und mit welch immensem Aufwand sie für das Projekt Heerscharen von Statisten und tonnenweise Technik auffuhren.

Doch noch beeindruckender als die Bilder von den Schlachtfeldern in Asien ist das Bild, das die Soldaten abgeben, wenn sie nicht kämpfen. Der Kampf, den sie ganz allein mit sich ausfechten müssen – in ihrem Kopf. Gegen den Dschungel, gegen das Mitgefühl, gegen die Frage, wie weit man gehen wird, um das eigene jämmerliche Leben zu retten.

Dann lebt The Pacific besonders von seiner Authentizität: Die Konkurrenz zwischen den verschiedenen Truppenteilen kommt zum Ausdruck, die Arroganz der Offiziere, und auch das Leiden der Familien zuhause, in denen sich trotz des Horrors und Blutvergießens an der Front die wahren Tragödien abspielen.

Gekonnt wird auch der Jargon der Truppe getroffen, irgendwo zwischen abgrundtiefem Sarkasmus, kindlicher Anhänglichkeit an die Kameraden und einem tiefen, auch rassistisch geprägten Hass auf den Gegner (hier habe ich die besten Zitate aus The Pacific zusammengestellt). Es wird der Psychoterror gezeigt, der sich einstellt, wenn man monatelang in permanenter Todesangst verbringt. Und der Ekel, den die Soldaten vor sich selbst haben, weil ihnen inmitten dieser Tötungsmaschinerie kein Ausweg bleibt als mitzumachen. Mitzutöten.

Schon in der ersten Folge, als die drei Hauptfiguren vorgestellt werden und zwei von ihnen auf dem Weg an die Front sind, regiert der Nihilismus. Bevor sie überhaupt ihren Einsatzort erreichen, wissen die Soldaten nicht mehr, wofür sie eigentlich kämpfen sollen. Als nach einer knappen halben Stunde die ersten Schüsse fallen, ist das von bitterer Ironie begleitet: Die Marines haben versehentlich einen Kameraden erschossen, der sich bloß nachts zum Pinkeln in den Wald schlagen wollte.

Dass Freund und Feind hier quasi nie zu unterscheiden sind, ist ein großes Plus an The Pacific. Die Macher, auch schon für das ähnlich angelegte Band Of Brothers verantwortlich, wollen den Krieg nicht heroisieren, instrumentalisieren oder romantisieren. Sie wollen ihn bloß zeigen. «Es ist brutal. Es ist ehrlich. Und es ist schonungslos», bringt Produzent Steven Spielberg das Konzept auf den Punkt – so wie es damals für die Soldaten war.

«Es war ein Abschlachten», meint Robert Leckie nach dem ersten Gefecht – und spätestens da hat der Einsatz der Marines alles Heldenhafte verloren. Als die Soldaten später nach einem erfolgreichen Einsatz in Australien wieder aufgepäppelt und dort wie Popstars begrüßt werden, ist das in seiner Unwirklichkeit fast so eindrucksvoll wie die spektakulären Kampfszenen, in denen es schon einmal Arme und Beine regnet.

Vor allem aber dienen die Szenen im Zivilleben, die mitunter eine ganze Folge ausmachen können, dazu, den Figuren eine Persönlichkeit zu geben. Dass sie diese erst hier entwickeln, wo sie zwar immer noch meist Uniform tragen, aber unserer Definition von Normalität zumindest gelegentlich wieder nahe kommen, ist ein unerhört cleverer Kniff der Regisseure. Sie gönnen dem Zuschauer damit nicht nur Ruhepausen inmitten der Apokalypse. Sie zeigen auch, was der Krieg letztendlich bedeutet, wenn man ihn so unerbittlich kämpft und so schonungslos inszeniert wie in The Pacific: die totale Entmenschlichung.

Bestes Zitat:

“Wir haben alle Angst, ohne Ausnahme. Wer hier von uns meint, keine Angst zu haben, lügt entweder – oder er ist tot.“

Der Trailer zur Serie:

httpv://www.youtube.com/watch?v=8hvJ7OeS_rY

Diese Rezension der kompletten Staffel von The Pacific auf DVD gibt es auch auf news.de.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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